Champions League: Erstes Viertelfinale nach Messi

FC Barcelona schaltet wie 2020 die SSC Neapel im Achtelfinale aus

  • Martin Ling, Barcelona
  • Lesedauer: 6 Min.

Die Jugend macht Hoffnung beim FC Barcelona. Im Januar kurz vor seinem 17. Geburtstag durfte Pau Cubarsí erstmals als Innenverteidiger in der ersten Mannschaft von Barça ran. In seinem ersten Spiel in der Champions League am Dienstagabend im mit gut 50 000 Zuschauern ausverkauften Olympiastadion, wurde er gleich zum MVP gekürt, zum Most Valuable Player, dem wertvollsten Spieler der Partie. Im Spiel in der spanischen Liga davor am 8. März gegen RCD Mallorca war es der 16-jährige Zahnspangenträger Lamine Yamal, der mit einem Traumtor den 1:0 Sieg sicherte und zum MVP gewählt wurde. Diese beiden Spieler aus dem Jahrgang 2007 sind die Hoffnungsträger für einen Ausweg aus der Krise, die vor allem wirtschaftlich ist, aber auch sportlich durchschlägt, denn Barcelona muss an Gehältern sparen und kann sich den Kauf neuer Topstars ohnehin nicht mehr leisten. Wer im Sommer aus Finanznöten verkauft werden muss, steht noch in den Sternen. Die beiden 2007er sollen aber auf alle Fälle gehalten werden und die zuletzt kursierenden 200 Millionen Euro für Yamal, die Paris Saint Germain angeblich geboten haben soll, wurden dementiert.

Das Weiterkommen in der Champions League spült rund 20 Millionen Euro in die schwindsüchtigen Kassen des Vereins, der wie kein anderer infolge der Corona-Pandemie Einnahmeneinbrüche zu verzeichnen hatte. Allein das Barça-Museum, das vor dem Picasso-Museum die meisten Besucher*innen zählt, nahm in Vorpandemiezeiten 60 Millionen Euro ein. Derzeit ist es wieder geschlossen, weil sein Standort, das Stadion Camp Nou, umgebaut wird – ein 1,5 Milliarden-Euro-Projekt auf Pump. Wegen des Umbaus muss diese Saison und planmäßig noch bis in den Herbst im Olympiastadion aus dem Hausberg Barcelonas Montjuïc gespielt werden. Zum 125. Geburtstag des Vereins am 29. November sollen zumindest 60.000 der 105.000 Plätze wieder zugänglich sein.

Cu, Cu, Cubarsí

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Cubarsí war nicht nur überragend in den Zweikämpfen und in der Spieleröffnung, sondern auch an der strittigsten Szene des Spiels beteiligt. Beim Stand von 2:1 lieferte er sich anfangs der zweiten Hälfte ein Laufduell mit dem nigerianischen Napoli-Torjäger Victor Oshimen, es kam zu einem leichten Kontakt am Fuß, Oshimen strauchelte und die Italiener forderten wild einen Elfmeter. Doch die Pfeife des niederländischen Schiedsrichters Danny Makkelie blieb stumm und der Videoschiedsrichter griff nicht ein. In dieser Phase zu Beginn der zweiten Halbzeit war Napoli drauf und dran, zum Ausgleich zu kommen und einem Spiel eine Wendung zu geben, das anfangs nur eine Richtung kannte: Einbahnstraßenfußball auf das von Alex Meret gehütete Tor des amtierenden italienischen Meisters SSC Neapel. Barça erspielte sich in der ersten halben Stunde Chancen nahezu im Minutentakt. Die erste Großchance vergab der 20-jährige Fermín López nach einem Traumpass von Cubarsí allein vor dem Torwart in der 13. Minute. López stammt wie Cubarsí und Yamal aus La Masia, der Talenteschmiede des katalanischen Vereins. Zwei Minuten später machte es López besser und schloss einen Schnellangriff über mehrere Stationen mit einem unhaltbaren Flachschluss ab. Weitere zwei Minuten später musste sich der starke Torhüter Meret erneut geschlagen geben. Dieses Mal leitete Yamal mit einem Diagonalpass den Angriff auf Raphinha ein, der traf zwar nur den Pfosten, doch der von Manchester City ausgeliehene portugiesische Linksverteidiger João Cancelo traf mit dem Nachschuss. Nach dem 1:1 im Hinspiel vor drei Wochen in Neapel waren damit früh die Weichen für ein Weiterkommen ins Viertelfinale gestellt, das Barcelona just zuletzt im Jahr 2020 auch gegen Neapel erreicht hatte, mit Torschützen wie Leo Messi und Luis Suárez, die inzwischen Seite an Seite bei Inter Miami stürmen.

Neapel war in der ersten halben Stunde dem Pressing Barcelonas selten gewachsen, verlor viele Bälle und konnte sich kaum befreien. Doch wie aus dem Nichts kam in der 30. Minute der Anschlusstreffer durch den aufgerückten kosovarischen Innenverteidiger Amir Rrahmani, der mit einem Flachschuss dem deutschen Nationaltorhüter Marc-André ter Stegen überwinden konnte. Schon kurz darauf verhinderte nur eine Glanzparade ter Stegens den Ausgleich noch vor der Pause, als er einen Kopfball von Di Lorenzo mit den Fingerspitzen über den Querbalken lenken konnte.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit blieb Neapel am Drücker, es gab Chancen auf beiden Seiten und eben den nicht gegebenen Elfmeter, der aus dem MVP Cubarsí unter Umständen einen tragischen Helden gemacht hätte. In der Schlussphase bekam Barcelona durch die stabilisierenden Einwechslungen der Mittelfeldspieler Sergi Roberto und Oriol Romeu, über 30-Jährige, die einst auch in La Masia ausgebildet wurden, das Spiel wieder besser in den Griff. Das 3:1 durch Lamine Yamal in der 68. Minute zählte wegen Abseits nicht, aber in der 83. Minute traf Robert Lewandowski nach schöner Vorarbeit von İlkay Gündoğan und Sergi Roberto mühelos ins leere Tor. Es war die einzige nennenswerte Aktion des 35-jährigen Stürmers, den Barcelona 2022 für 40 Millionen Euro von Bayern München losgeeist hatte – bezahlt mit Geld aus Rechteverkäufen, die in der Zukunft für weniger Einnahmen sorgen, denn die Rechtekäufer wollen ihre Investition gewinnbringend zurück. Neapel wehrte sich danach noch tapfer, kam zu einem Lattentreffer und Chancen, doch der Sieg für Barça blieb ungefährdet.

Zwei Minderjährige in der Startelf

Zum ersten Mal in der seit 1992 währenden Geschichte der Champions League trat eine Mannschaft mit zwei Minderjährigen in der Startelf an – Cubarsí und Yamal – verkündete Barcelona stolz per Pressemitteilung. Cubarsí, der wie schon gegen Mallorca immer wieder mit Sprechchören Cu, Cu, Cubarsí gefeiert wurde, glänzte auch nach dem Spiel mit seiner trefflichen Analyse: »Wir haben es geschafft, den Druck in Leidenschaft umzuwandeln, wir haben von Beginn an alles gegeben.« In der Tat hatte Barcelona an diesem 12. März eine Spielintensität wie sie diese Saison seltenst bis nie gesehen wurde, was auch zu Kritik am Trainer Xavi Hernández führte, der Ende Januar seinen Rücktritt zu Saisonende verkündet. Xavi ist seinerseits Vereinslegende mit 767 Spielen und damit den meisten hinter Leo Messi, der es in 778 Spielen auf sage und schreibe 672 Tore und 269 Vorlagen brachte. In seiner Ära stand Barcelona von 2008 an 13 Mal infolge mindestens im Viertelfinale, erst in seinem letzten Jahr 2021 reichte es nur noch zum Achtelfinale. Das konnte nun erstmals wieder erreicht werden, wie nun auch das Viertelfinale. Die Wahrheit ist, dass dies einer der besten Tage meines Lebens war. Wir haben nach einigen schwierigen Jahren im Verein das Viertelfinale erreicht“, brachte wiederum Cubarsí auf den Punkt, dass Barcelona derzeit durch schwere Zeiten geht. Der Lichtblick sind die Jungen Fermín, Lamine und Cubarsí selbst – plus der am Kreuzband verletzte 19-jährige Gavi und der ebenfalls verletzte 19-jährige Alejandro Balde – allesamt aus dem eigenen Nachwuchs. Ohne Geld ist der wichtiger denn je.

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