Freund, Gesprächspartner

Das Berliner Kino Arsenal erinnert an den Filmpublizisten Rolf Richter

  • Ralf Schenk
  • Lesedauer: 3 Min.

Rolf Richter, der in diesen Tagen 75 Jahre alt geworden wäre, gehörte zu den anregendsten Menschen, die mir in meinem Leben begegneten. Er war nicht nur ein hoch geschätzter Filmpublizist, viele Jahre schrieb er auch fürs »Neue Deutschland«, sondern zugleich ein genauer Beobachter gesellschaftlicher Zustände. In seinen besten Analysen verband er das Gegenwärtige mit dem, was gewesen war, und versuchte Bögen in die Zukunft zu schlagen. Der Satz »Wer kein Woher hat, hat kein Wohin« wurde zu einem Leitfaden seiner Arbeit, vor allem auch in den Jahren nach 1989, als er sich gemeinsam mit seiner Frau Erika unablässig und mit immer neuen Ideen um das filmische Erbe der DDR kümmerte, das er nicht vergessen und verschwinden lassen wollte.

Das Berliner Kino Arsenal erinnert diese Woche mit zwei Filmabenden an Rolf Richter, der im August 1992 plötzlich verstarb. Gezeigt werden dokumentarische Arbeiten, für die er die Drehbücher schrieb: spannende Exkurse in die Gedanken- und Traumwelten eines rigorosen Denkers und Gerechtigkeitsfanatikers. In Filmen wie »Ich war ein glücklicher Mensch« (1990) und »Östliche Landschaft« (1991), die er gemeinsam mit dem Regisseur Eduard Schreiber schuf, thematisierte er den jüngsten deutschen »Umbruch« und damit auch die eigenen existenziellen Beschwernisse, die Bedrohungen des Individuums und der Individualität. Schon in »The Time Is Now« (1987) hatten beide über ihre Ängste angesichts einer vor Waffen strotzenden Welt nachgedacht: Der Film, ein offener Dialog mit Menschen verschiedenen Alters und unterschiedlicher Weltanschauung, wurde von dem britischen Dokumentaristen Peter Watkins als »Friedensfilm, der alle Dimensionen sprengt« gelobt.

Das Gedenken an Rolf Richter schließt die Erinnerung daran ein, dass ihm in den drei Jahren, die ihm nach dem Mauerfall blieben, Erstaunliches gelang: Als Vorsitzender der Kommission Verbotener Filme, die der DDR-Film und Fernsehverband in einer seiner letzten Sitzungen eingerichtet hatte, trug er maßgeblich dazu bei, viele der in den Tresor verbannten DEFA-Filme schnell einer internationalen Öffentlichkeit zugänglich zu machen und damit auch ihre Schöpfer zu rehabilitieren. Rolf Richter sorgte sich um das Weiterbestehen des Berliner Filmkunsthauses Babylon und um die Zeitschrift »Film und Fernsehen«, die nach seinem Tod noch bis 2000 von seiner Frau redigiert wurde. In den Jahren des Übergangs, als ostdeutschen Künstlern in der gesamtdeutschen Kulturszene fast nur ein Nischendasein zugestanden wurde, gerieten diese Orte zu Zentren der Selbstverständigung.

Und nicht nur das: Rolf Richter legte Wert darauf, dass sich sowohl das Kino Babylon als auch die Zeitschrift für den Dialog zwischen Ost und West öffneten, dass sie zu Begegnungsstätten wurden. Nach dem Tod Rolf Richters schrieb der West-Berliner Filmhistoriker Ulrich Gregor, er sei womöglich die wichtigste Identifikationsfigur in den west-ostdeutschen Filmbeziehungen gewesen. Ein »Zuhörer, Freund und Gesprächspartner, und vielleicht ein Symbol des möglichen Übergangs von einer in eine andere Zeit.«

In memoriam Rolf Richter, Kino Arsenal Berlin, 24.10. 19 Uhr, 26.10. 21 Uhr.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal