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Seefahrerkrankheit kehrt zurück

Skorbut-Fall in Australien: Gewichtsreduzierende Operation als wichtiger Risikofaktor

  • Barbara Barkhausen
  • Lesedauer: 4 Min.
Mit Früchten, die reich an Vitamin C sind, hätte bei Seefahrern auf langen Reisen Skorbut vermieden werden können.
Mit Früchten, die reich an Vitamin C sind, hätte bei Seefahrern auf langen Reisen Skorbut vermieden werden können.

Eigentlich gilt die Seuche der Seefahrt heutzutage als besiegt: Skorbut – eine Krankheit, die bei einem extremen Mangel an Vitamin C auftritt – raffte zu Zeiten von Magellan und Co. Schiffsmannschaften in Scharen dahin. Bei der ersten Weltumsegelung 1521 soll ein Großteil der Matrosen an der Krankheit gestorben sein, die das Zahnfleisch anschwellen lässt und zu heftigen Gliederschmerzen führt. In Industrieländern tritt Skorbut eigentlich chon lange nicht mehr auf. Nur bei Hungersnöten in Entwicklungsländern, wo die Menschen nur noch Reis oder Weißbrot zu sich nehmen, registriert man auch heute noch Fälle.

Umso erstaunlicher ist es, dass Ärzte in Australien jetzt einen Fall meldeten. Ein Mann Anfang 50 wurde im Westen des Landes mit winzigen rotbraunen Flecken an beiden Unterschenkeln in ein Krankenhaus in Perth eingeliefert. Die Pünktchen, die einem Ausschlag glichen, verursachten ihm Schmerzen und schränkten seine Bewegungen ein, wie der staatliche australische Sender ABC berichtete. Später breiteten die Flecken sich auf seine Arme aus, auch die Finger schwollen an. Die Mediziner testeten zunächst auf Entzündungs-, Autoimmun- und Bluterkrankungen – doch sämtliche Tests kamen negativ zurück. Auch Anzeichen einer inneren Blutung gab es nicht.

Die nach einer Magenbypass-Operation verschriebenen Vitaminpillen und Mineralstoffpräparate konnte der Patient sich nicht mehr leisten.

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Der zuständige Mediziner Andrew Dermawan, der über den Fall in der Fachzeitschrift »BMJ Case Reports« berichtete, gestand bei der ABC ein, dass man nicht sofort an Skorbut gedacht habe. »Wir testen nicht routinemäßig darauf, weil wir dachten, wir hätten Skorbut ausgerottet«, sagte der Arzt. Doch der aktuelle Fall veranlasste die Mediziner nun, vor einem Comeback der Krankheit zu warnen, nachdem die Lebenshaltungskosten deutlich gestiegen sind und Operationen zur Gewichtsreduktion zunehmen. Letztere gelten wie schlechte Ernährung als Risikofaktoren für das Auftreten von Skorbut.

Auch der australische Patient hatte vor einigen Jahren eine solche gewichtsreduzierende Operation hinter sich gebracht, bei der ein Teil seines Magens und ein Stück des Dünndarms entnommen wurden. Hinzu kam: »Er hatte finanzielle Engpässe und vernachlässigte daher seine Ernährung«, wie es in dem medizinischen Bericht hieß. Die nach einer Magenbypass-Operation verschriebenen Vitamin- und Mineralstoffpräparate konnte er sich nicht mehr leisten. Zudem zwangen ihn die steigenden Lebenshaltungskosten, auf billigere Produkte umzustellen, die oftmals weniger wichtige Nährstoffe enthalten. »Seine Mahlzeiten bestanden größtenteils aus verarbeiteten Lebensmitteln, denen es an Gemüse oder Obst mangelte«, hieß es. Manchmal habe er zudem Mahlzeiten ausgelassen.

Nachdem die behandelnden Ärzte Skorbut diagnostiziert hatten, war die Behandlung verhältnismäßig einfach. Sie verordneten dem Patienten eine Dosis von 100 Milligramm Vitamin C pro Tag sowie Folsäure und Multivitamine. Außerdem aß der Patient eine Zitrone pro Tag. Sein Zustand verbesserte sich daraufhin schnell, und er konnte wieder entlassen werden.

Obwohl die Mediziner eingestanden, dass es sich um einen Einzelfall handelte, warnten sie doch vor »einer wiederkehrenden Diagnose in der heutigen Zeit«. Dies habe mit einer Zunahme bariatrischer Eingriffe wie beispielsweise Magenverkleinerungen zu tun, aber auch mit der Inflation in vielen Ländern. In Australien seien die Lebensmittelkosten in den letzten zwölf Monaten um 5,9 Prozent gestiegen, schrieben die Mediziner. Dies mache es für Familien schwieriger, sich Mahlzeiten zu leisten. Auch wer Gemüse zu sehr verkocht, wodurch Vitamine verloren gehen, könnte betroffen sein.

Laut der Mediziner könnten Skorbutfälle zudem leicht übersehen werden, weil es sich eben »um eine Krankheit der Vergangenheit handelt, die erstmals in der Renaissance mit Seeleuten in Verbindung gebracht wurde«, wie es in einem Begleitttext zum Fachartikel hieß. Skorbut könne zudem leicht mit anderen Erkrankungen verwechselt werden, insbesondere mit entzündeten Blutgefäßen (Vaskulitis), betonten die Autoren. »Anzeichen können bereits einen Monat nach einer täglichen Einnahme von weniger als zehn Milligramm Vitamin C auftreten«, hieß es.

Letzteres zeigt aber auch, dass sich die Krankheit leicht vermeiden lässt. Schon kleine Mengen an Gemüse und Obst liefern ausreichend Vitamin C. Beispiele für Lebensmittel mit besonders hohem Vitamin-C-Gehalt sind Gemüsepaprika, schwarze Johannisbeeren, Petersilie und natürlich Zitrusfrüchte.

Weitere Risikofaktoren für Skorbut sind laut den australischen Medizinern Alkoholismus, Rauchen, Essstörungen, niedriges Haushaltseinkommen, Fettleibigkeit, Nierendialyse und Medikamente wie Steroide, die die Aufnahme von Vitamin C beeinträchtigen, und solche, die die Magensäureproduktion hemmen. 2016 verzeichnete Australien zudem schon einmal vereinzelte Fälle von Skorbut bei Diabetes-Patienten.

Dass die alte Geißel der Seefahrer ausgerechnet in Australien ihre Renaissance erlebt, dürfte bei Historikern Eindruck hinterlassen. Denn der britische Seefahrer James Cook, der Australien 1770 einst zum Eigentum der britischen Krone erklärte, schaffte es, dass bei der damaligen Expedition kein einziges Besatzungsmitglied an Skorbut starb. Nachdem der englische Schiffsarzt James Lind 20 Jahre zuvor bei einem Experiment entdeckt hatte, dass Orangen und Zitronen ein Heilmittel gegen Skorbut waren, verpflegte Cook seine Männer auf der langen Reise neben Kresse und Sauerkraut auch mit einer Art Orangenextrakt.

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