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Treu den Prinzipien des Gründers Berthold Otto

Privatschule mit dem Status einer Hauptschule mit kleinen Lerngruppen in kleinen Räumen

  • Lesedauer: 4 Min.
Die Schule und ihr Leiter Fotos: Tom Mustroph
Die Schule und ihr Leiter Fotos: Tom Mustroph

Eine der ersten Reformschulen Berlins ist die Berthold-Otto-Schule. 1906 wurde sie vom Bildungsreformer Berthold Otto gegründet, 1911 bezog sie Quartier in der Holbeinstraße in Lichterfelde. Dort, mitten im Grünen, auf einem 5000 Quadratmeter großen Grundstück zwischen anderen Stadtvillen gelegen, befindet sich die vom Staat anerkannte Privatschule noch heute. Eigentlich besteht die nach ihrem Gründer benannte Schule aus zweien: einer Grund- und einer Hauptschule.

Es ist ungewöhnlich für eine Privatschule, sich den so schlecht beleumundeten Status der Hauptschule zu holen, doch die aktuelle Leitung bleibt damit den Prinzipien des Schulgründers treu: »Berthold Otto wollte eine Volksschule aufbauen, die für Kinder aus allen Schichten zugänglich ist. Sie bot statt der damals üblichen acht Klassenstufen Unterricht über zehn Schuljahre an«, sagt Thomas Gohlke, der seit 1990 die Schule führt.

Weil die Bedingungen, den staatlichen Schulabschluss zu erwerben, für die Schüler immer komplizierter wurden – sie mussten externe Prüfungen ablegen – entschloss sich die Leitung vor gut einer Dekade, ab Klasse 7 Hauptschule zu werden. »Das entsprach unserem Profil noch am ehesten. Wenn es damals schon die Möglichkeit einer integrierten Haupt- und Realschule gegeben hätte, hätten wir uns wohl dafür entschieden«, blickt Gohlke zurück. Das Modell Gesamtschule sei wegen der verordneten Binnendifferenzierung in einzelnen Fächern nicht in Frage gekommen.

De facto ist die Berthold-Otto-Schule eine integrierte Haupt- und Realschule. Im letzten Jahr legten neun von 25 Zehntklässlern den mittleren Schulabschluss ab, zwei erwarben die gymnasiale Empfehlung. Ohne Schulabschluss wurde niemand entlassen. Eine beachtliche Bilanz für eine Hauptschule.

Der große Vorteil dieser Schule sind die kleinen Lerngruppen. Zwölf, maximal 13 Schüler bilden traditionell eine Klasse. Mehr Schüler sollen aus Prinzip nicht in eine Klasse, mehr Schüler passen allerdings auch nicht in die mit 25 Quadratmeter recht kleinen Räume. Um das soziale Verhalten in der größeren Gruppe zu erproben, wird im gemeinsamen Gesamtunterricht – in dem vor allem individuelle Probleme und Wünsche besprochen werden – die Trennwand zwischen den Räumen der beiden siebten Klassen aufgezogen. Die Lerngruppen sind dann vereint.

Gohlke verweist darauf, dass auch viel Unterricht im Freien stattfinde. Das Gelände ist groß und weist im sogenannten »Wäldchen« idyllische Ecken auf. Höhepunkt des »Draußen-Unterrichts« sind die einwöchigen Lernfahrten im Kanadier, die die siebten bis zehnten Klassen zweimal jährlich auf Havel und Rhin unternehmen. Auch die Lehrküche, untergebracht im früheren Wohnhaus des Schulgründers, fördert noch andere Fähigkeiten als die rein schulischen.

Die Klassenstufen 1 bis 2 und 3 bis 4 werden jahrgangsübergreifend unterrichtet, ab Klassenstufe 5 sind die Kinder jahrgangsweise organisiert. Gohlke begründet das einerseits mit den neuen Fächern, die in Klassenstufe fünf dazukommen, andererseits mit dem dreistufigen deutschen Schulsystem, dessen Selektionsdruck spätestens ab Klassenstufe 6 auch in die Privatschule hineinwirkt.

Aus der Perspektive der Schultypen betrachtet stellt sich die Berthold-Otto-Schule als Mischung aus der in Berlin angestrebten Gemeinschaftsschule sowie Grund- und Hauptschule (mit integrierter Realschule) dar. Mehr als die Hälfte der Sechstklässler bleibt – oft trotz Realschulempfehlung – weiter auf der Schule. Das gute Klima und die Vertrautheit miteinander, die aufgrund der geringen Größe der Schule (insgesamt ca. 150 Schüler) schneller entstehen kann, sorgen dafür, dass sich Eltern und Schüler gegen eine auf dem Papier »bessere Schulkarriere« entscheiden.

»Es gibt eine große Schulzufriedenheit«, stellt Gohlke fest. Ob die eher der Tatsache zu danken ist, dass die Klassen klein sind, der Zensurendruck gering (keine Zensuren in den ersten vier Jahren, keine Halbjahreszeugnisse bis zur Klassenstufe 8), die Unterrichtszeit mit 40 Minuten kurz, die Schülerschaft ethnisch und sozial recht homogen oder die Lage in Lichterfelde eben nicht mit der in den sozialen Brennpunkten der Innenstadt zu vergleichen ist, kann nicht endgültig beurteilt werden. Aber es gilt, sie zu konstatieren, und von dieser Privatschule (Schulgeld 150 Euro monatlich) vielleicht manche Instrumente auf Tauglichkeit zu untersuchen und in den eigenen Schulalltag zu integrieren.

Klüger als andere Schulabgänger seien seine Schüler sicher nicht, meint Thomas Gohlke. »Aber sie sind stabiler und selbstsicherer.« Und wenn es bei Bewerbungen zu Vorstellungsgesprächen komme und die Hauptschüler nicht vorher ausgesiebt würden, dann schnitten Berthold-Otto-Schüler wegen ihres souveränen Auftretens besser ab.

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