»Im Land herrscht große Angst«

ND-Gespräch mit Welko Walkanow über die sozialen und politischen Verhältnisse in Bulgarien

Welko Walkanow ist emeritierter Professor für Völkerrecht. Er war jahrelang Abgeordneter im bulgarischen Parlament und engagierte sich als Präsident der antifaschistischen Union Bulgariens. 1992 bewarb er sich mit Unterstützung der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP) um das Präsidentenamt, verlor die Wahl jedoch knapp gegen den westorientierten Shelju Shelew. Den 80-jährigen Walkanow befragte Hannes Hofbauer in Sofia.

ND: Wie hat sich Bulgarien seit dem EU-Beitritt des Landes am 1. Januar 2007 verändert?
Meines Erachtens ist die Lage nicht besser geworden. Im Gegenteil. Am schlimmsten ist die größer werdende soziale Differenz. Dabei trifft es vor allem die Rentner. Meine Schwester bekommt 120 Lewa, das sind umgerechnet 60 Euro, Rente im Monat. Die maximale Rente, die der Staat z.B. mir ausbezahlt, beträgt 490 Lewa. Allein gestern musste ich 50 für Medikamente ausgeben, ein Zehntel des Monatsbudgets. Meine Schwester kommt überhaupt nur über die Runden, weil ich ihr ein wenig helfe.

Das neue Bulgarien spart an der alten Generation – weil sie für den neuen Aufbau unwichtig ist?
Genau das ist nicht zu akzeptieren, weil es schlicht unmoralisch ist. Die alte Generation hat das Land aufgebaut, jetzt wird sie »beseitigt«. Das empört mich. Ich war immer parteilos, aber angesichts der neuen Verhältnisse werde ich von Monat zu Monat linker, sozialistisch...


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