Gruseln auf dem Garnisonsfriedhof

Initiative macht auf rechtes »Soldatengedenken« am kommenden »Volkstrauertag« aufmerksam

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 2 Min.

Friedhöfe sind unheimlich. Auf dem Garnisonsfriedhof in Neukölln, der neben der Moschee am Columbiadamm liegt, kommt jedoch ein besonderer Horror hinzu. Denn bei näherer Betrachtung ist das Areal gespickt mit Symbolen des deutschen Militarismus: Adler thronen auf Basilisken, Männer mit Stahlhelmen blicken in die Ferne. Auf Grabsteinen leuchten Eiserne Kreuze in frisch gemalten goldenen Lettern.

Am zentralen Gedenkstein für die Toten des »Garde-Grenadier-Regiments« – einem mächtigen Klotz, auf dem ein Toter unter einem Leichentuch die Faust gen Himmel reckt – haben sich 40 Jugendliche und Erwachsene versammelt. »Bis 1945 war auf der Rückseite ein Spruch in Latein eingraviert, der übersetzt lautete: ›Mag ein Rächer einst erstehen aus meinen Gebeinen‹«, erzählt Michael Sommer. Die Inschrift war offenbar zu heikel, weshalb sie entfernt worden sei, vermutet Sommer, der sich beim »Gedenkpolitischen Rechercheteam« engagiert.

Die Initiative organisiert seit dem letzten Jahr gemeinsam mit anderen antifaschistischen Gruppen den Protest gegen das »Soldatengedenken«, das alljährlich am »Volkstrauertag« hier auf dem Garnisonsfriedhof stattfindet. Bis dahin sei es zwar noch eine Woche hin, man wolle aber in diesem Jahr mit mehreren Veranstaltungen auf das »revisionistische Treiben« hinweisen, erzählt Martje Reimers, die ebenfalls beim Rechercheteam mitwirkt. Dass so viele am Spaziergang teilnehmen, freut Reimers, sie ärgert sich indes über Polizisten in Uniform und Zivil, die die Gruppe begleiten. »Wir machen doch nur einen informativen Spaziergang über den Friedhof«, wundert sie sich. An drei Stationen machen die Aktivisten halt: Sie erläutern Kriegerdenkmäler aus den Weltkriegen, debattieren Kontinuitäten des deutschen Militarismus, der sich auch heute in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr zeige. Heftig kritisiert wird der »Herero-Stein«, der Soldaten der ehemaligen Kolonie »Deutsch-Südwestafrika« gewidmet ist, den Genozid dieser Kolonialtruppen an 80 000 Herero aber komplett ausblende. Am Ende des Spaziergangs geht es wieder um die Gegenwart: »Wir treffen uns um 10 Uhr am nächsten Sonntag vor dem Eingang, um gegen das ›Soldatengedenken‹ und die Teilnahme von Rechtsextremen und Burschenschaftlern zu protestieren«, kündigt Sommer an.

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