Offener Ausgang in Kopenhagen

Vorgezogene Parlamentswahlen in Dänemark / Rot-Grüne Einheitsliste muss um Einzug bangen

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.
Dänemarks Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen spielte eine riskante Karte, als er vorgezogene Wahlen ausschrieb. Zwar war seine Folketingmehrheit durch den Wechsel einiger Koalitionspolitiker im Sommer zum gerade gegründeten »Neuen Bündnis« auf nur eine Stimme zusammengeschmolzen, doch ist der Ausgang des heutigen Votums offen.

Turnusgemäß müsste die Wahl nicht vor Februar 2009 stattfinden, doch im Frühjahr werden die Rahmentarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst abgeschlossen. Und denen wollte Rasmussen nicht mit einer knappen Mehrheit entgegentreten. Inzwischen sind die Erwartungen der Beschäftigten hoch, dafür haben sowohl die liberal-konservative Koalition als auch die oppositionellen Sozialdemokraten mit in diesem Umfang kaum zu finanzierenden Wahlversprechen gesorgt. Zudem will sich der kleinere konservative Regierungspartner gern vom Einfluss der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei frei machen. Trotz stabiler Wirtschaftsdaten und einer historisch niedrigen Arbeitslosenquote von 3,3 Prozent sind die Aussichten für die Fortsetzung der Koalition weitaus schlechter als 2005. Man rechnet mit Stimmenverlusten, fraglich ist nur ihre Höhe. So dürfte ohne Einbeziehung einer weiteren Partei als parlamentarische Stütze ein Weiterregieren nicht möglich sein.

Rasmussens rechte Liberale Partei hatte im Vorfeld der Wahlen versucht, die Losung der Linksopposition »Sozialstaat statt Steuererleichterungen« mit dem Argument zu kontern, dass die starke dänische Wirtschaft beides leisten könne. Das hat bei vielen nicht gezogen. Die Mehrheit der Wähler verfolgt das Jonglieren der Politiker mit Milliardenbeträgen eher misstrauisch. Der Wahlkampf hat am Kräfteverhältnis zwischen dem bürgerlichen Block und der Mitte-Links-Opposition kaum etwas geändert. Alle Umfragen prognostizieren, dass allen voran das Neue Bündnis und andere klassische »Mitteparteien« Zünglein an der Waage sein werden. Unklare Aussagen der Kandidaten machen den Wählern die Entscheidung schwer, ob sie ihre Stimme der Opposition oder der Regierungskoalition geben sollen. Sich selbst bedeckt, aber alle Koalitionsmöglichkeiten offen zu halten, scheint die Devise zu sein.

Die »Ausländerfrage«, die die beiden letzten Wahlen dominiert hat, ist dabei etwas in den Hintergrund geraten. Die Aussagen der Opposition waren hier widersprüchlich und schwankten zwischen Fortsetzung der von Rasmussen eingeführten scharfen Regelungen und Rückkehr zu den Prinzipien früherer sozialdemokratischer Regierungen. Auch die dänische Teilnahme am Irak-Irieg spielte nur eine marginale Rolle. Die Erhaltung bzw. der Ausbau des Sozialstaates scheinen heute wichtiger für die Wählerentscheidung. Wie dieser angesichts einer gleichsam auf dem Kopf stehenden Bevölkerungspyramide künftig finanziert werden soll, diese Debatte vermieden alle Parteien allerdings. Auch Steuerfragen wurden im Wahlkampf höchstens angerissen, man wollte keinen Wähler verschrecken.

Für die größte Oppositionspartei, die Sozialdemokraten, sagen die Demoskopen ein ähnlich schlechtes Ergebnis wie vor zwei Jahren oder nur geringe Verbesserungen voraus. Auch Helle Thorning-Schmidt, die den Parteivorsitz nach der letzten Wahlniederlage übernahm, konnte daran wenig ändern. Die Volkssozialisten könnten ihr historisch bestes Ergebnis erzielen und die Zahl der Mandate vielleicht sogar verdoppeln. Ein neuer Vorsitzender mit klarem Profil, der sich auf wenige, für die Wähler jedoch wichtige Themen beschränkt hat und durch die lange Oppositionszeit politisch »unbefleckt« ist, spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Für die Rot-Grüne Einheitsliste wird der Wahlabend wohl unnötig spannend werden. Seit dem Frühjahr pendelt die Wählerzustimmung konstant um die Zwei-Prozent-Hürde. Bisherige Zugpferde, die auch Sympathie und Zustimmung in Einzelfragen über Parteigrenzen hinaus erreichen konnten, sind kaum noch in Erscheinung getreten. Ausgebrannt durch überdurchschnittlichen Arbeitsdruck, wie es lakonisch in einer offiziellen Stellungnahme hieß. Die Nominierung einer muslimischen Kandidatin, an deren demokratischer Grundhaltung selbst viele Parteimitglieder zweifeln, sorgte für zusätzlichen Wirbel. Ein außerordentlicher Parteitag, der sie weniger prominent platzieren sollte, konnte wegen des vorgezogenen Wahltermins nicht mehr abgehalten werden. Sollte die Einheitsliste den Wiedereinzug ins Parlament verpassen, könnte das auch eine mögliche knappe Mehrheit der bisherigen Mitte-Links-Opposition verhindern.

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