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Internetfahndung nach Gesichtern – auch ohne Straftat
Migrationsamt will zu biometrischem Abgleich eng mit Bundeskriminalamt kooperieren
Das Bundesinnenministerium von Alexander Dobrindt (CSU) plant ein neues »Sicherheitspaket«. Die vergangene Woche veröffentlichten Gesetzentwürfe sollen der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt (BKA) erlauben, mit biometrischen Fotos oder auch Stimmproben in »öffentlich zugänglichen Daten aus dem Internet« nach Personen zu suchen. Das BKA soll auf diesem Weg nicht nur nach Verdächtigen suchen dürfen, sondern auch nach Opfern oder Zeug*innen.
Es ist bereits der dritte Anlauf: Schon vor knapp einem Jahr hatte das Innenministerium, damals noch unter Nancy Faeser (SPD), einen Versuch gemacht, die neuen Befugnisse zur Rasterfahndung im Netz durchzusetzen. Erst nach dem Messeranschlag von Solingen kam das Gesetz mit den Stimmen der Ampel durch den Bundestag – scheiterte jedoch am Bundesrat.
Das Bundesamt für Migration und Flucht (Bamf) hingegen dürfte die biometrische Gesichtersuche im Internet bereits einsetzen, etwa wenn Asylsuchende keine Ausweispapiere vorlegen. Die entsprechende Regelung im Asylgesetz war im vergangenen Oktober ebenfalls als Teil eines »Sicherheitspakets« verabschiedet worden – mit den Stimmen der Ampel-Regierung.
Dabei gelten jedoch rechtliche Hürden: Derzeit ist die Methode nur erlaubt, wenn das Bamf die Identität nicht mit »milderen Mitteln« feststellen kann. Das könnten zum Beispiel Urkunden aus dem Herkunftsland sein. Diese Einschränkung will das Innenministerium nun streichen, zusammen mit weiteren Schutzmaßnahmen wie einer Pflicht, die Betroffenen über den Umfang der Maßnahme zu unterrichten und die Suche zu protokollieren.
Biometrische Gesichtersuche ist in den vergangenen Jahren vor allem durch private Anbieter wie Clearview AI oder PimEyes bekannt geworden. Diese Suchmaschinen erlauben es, mit einem beliebigen Foto einer Person weitere Treffer zu ihrem Gesicht im öffentlichen Internet zu finden – auch wenn diese alt und verwackelt sind. Das können Aufnahmen auf Facebook, Youtube oder auch Pornhub sein – aber auch ein Bild, das am Rande einer Demo oder Sportveranstaltung geschossen wurde.
Um den Abgleich binnen Sekunden durchführen zu können, erstellen die Betreiber Datenbanken, in denen sie die biometrischen Daten von Milliarden Gesichtern als mathematische Repräsentation speichern. Dafür durchsuchen sie massenweise das öffentliche Internet und verarbeiten die gefundenen Gesichter. Das geschieht ohne Einwilligung der betroffenen Personen.
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Laut den Plänen aus dem Haus von Dobrindt könnten die Behörden für die biometrische Suche sowohl eigene Entwicklungen als auch Produkte von Drittanbietern verwenden – also auch auf Suchmaschinen wie Clearview zurückgreifen. Der Haken: Solche Gesichter-Suchmaschinen sind in der EU verboten. Die KI-Verordnung untersagt den Einsatz solcher Systeme, die »Datenbanken zur Gesichtserkennung durch das ungezielte Auslesen von Gesichtsbildern aus dem Internet« erstellen. Auch die Datenschutzgrundverordnung erlaubt die Verarbeitung von biometrischen Daten nur in Ausnahmefällen.
Das BKA und das Bamf müssten daher zunächst eine legale technische Lösung entwickeln, die ohne ein ungezieltes Datensammeln im Netz auskommt. Wie diese aussehen könnte? Unklar. Die Bundesdatenschutzbeauftragte nannte eine solche Umsetzung »unrealistisch«.
Was bislang noch nicht bekannt war: Das Bamf will sich mit der technischen Realisierung der Gesichtserkennung im Internet auf die Polizei verlassen: »Die Umsetzung des biometrischen Abgleichs von Lichtbildern soll in enger Zusammenarbeit mit dem BKA erfolgen«, sagte ein Sprecher dem »nd«. Man warte dazu die Rechtsgrundlage für die Kriminalbehörde ab.
Zum Zeitplan für das Gesetzespaket will das Dobrindt-Ministerium nicht sagen. Als Nächstes folgt eine Länder- und Verbändebeteiligung, dann erst kann das Kabinett das Paket beschließen und an den Bundestag geben.
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