Nationaler Aktionstag gegen Sozialabbau in Frankreich

Öffentlicher Dienst widersetzt sich Sarkozys Rotstiftpolitik

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Während Frankreichs Eisenbahner bereits seit einer Woche streiken, treten heute auch die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes in den Ausstand.

Mit dem Nationalen Aktionstag, der seit Wochen geplant ist, fordern die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes Lohnerhöhungen und protestieren gegen die Absicht der Regierung, radikal den Rotstift anzusetzen und beispielsweise nur jeden zweiten in Rente gehenden Beamten oder Angestellten zu ersetzen. Vor einer Woche hatten schon die Belegschaften der Energiekonzerne Electricité de France (EDF) und Gaz de France (GDF) einen Tag lang gestreikt, um ihre Sonderrentenregelungen zu verteidigen. Jetzt ist die Reihe an den Lehrern, den Beschäftigten der Post und den Angestellten vieler anderer staatlicher Einrichtungen und Unternehmen.

Der Streik der Eisenbahner der SNCF und der Beschäftigten der Pariser Verkehrsbetriebe RATP, der am Mittwoch vergangener Woche begonnen hat, wurde seitdem fortgeführt und schlägt so die Brücke zum Aktionstag im Öffentlichen Dienst. Zwar hat die Streikbeteiligung abgenommen. Am ersten Tag lag sie bei 60 Prozent, am zweiten bei 40 und an den folgenden Tagen bei 30. Doch bei jenen, die weitermachen, handelt es sich um einen harten Kern sehr Kampfentschlossener. Die Virulentesten sind die Anhänger von Sud Rail, einer kleinen radikalen Gewerkschaft, die nichts zu verlieren hat, da sie von der Direktion des Bahnunternehmens SNCF als nicht repräsentativ erst gar nicht zu Verhandlungen eingeladen wurde.

Die sollen nun morgen beginnen. Sechs der acht Eisenbahnergewerkschaften haben bereits ihre Teilnahme zugesagt. Dies wurde dadurch möglich, dass die Präsidentin des staatlichen Bahnunternehmens SNCF, Anne-Marie Idrac, nur »die Wiederaufnahme wesentlicher Teile des Verkehrs« zur Vorbedingung für Gespräche gemacht hatte, während Premier François Fillon noch am Sonnabend martialisch erklärt hatte, es werde »keine Verhandlungen geben, solange der Streik andauert«. Allerdings sind sich die Gewerkschaften klar darüber, dass für Präsident Nicolas Sarkozy und seine Regierung die Kernpunkte der Reform – 40 Jahre Beitragsdauer statt bisher 37,5 und Anhebung des Rentenalters um fünf Jahre – »nicht verhandelbar« sind und dass es nur um abfedernde Maßnahmen gehen kann.

Dass nach der Rentenreform für alle anderen Berufsgruppen vor drei Jahren nun die Reform der Sonderrenten bei SNCF, RATP, EDF und GDF, aber auch bei der Pariser Oper und der Comédie Française sowie für Fischer und Seeleute angesichts der steigenden Lebenserwartung, der schrumpfenden Zahl der Beitragszahler und der leeren Rentenkassen unausweichlich ist, steht auch für die Sozialistische Partei fest. Sie hat daher nicht für die Verteidigung der Sonderrenten Stellung bezogen und nur das Vorgehen der Regierung kritisiert.

Dagegen stellte sich die Kommunistische Partei an die Seite der Streikenden und forderte eine »Angleichung nach oben«, also wieder 37,5 Beitragsjahre für alle Berufsgruppen. Das sei durchaus zu finanzieren, wenn man nicht nur Arbeitseinkommen, sondern beispielsweise auch Spekulationsgewinne auf den Finanzmärkten zur Berechnung der Rentenbeiträge heranzieht.

Die Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes sind nicht glücklich darüber, dass der Streik bei SNCF und RATP mit ihrem Aktionstag zusammenfällt. Sie befürchten, dass die Verärgerung in der Bevölkerung über den Verkehrsstreik auf ihre Aktion abfärbt.

Noch unglücklicher dürfte allerdings Sarkozy sein. Diese Vereinigung der Streiks bei der SNCF und der RATP für die Verteidigung langjähriger sozialer Errungenschaften und der Kampfaktionen im Öffentlichen Dienst für die Verteidigung der Arbeitsplätze sowie der Kaufkraft der Löhne ist ein deutliches Zeichen, dass er seine Wahlversprechen wohl nicht einhalten kann. Er wolle »der Präsident der Kaufkraft« werden und ein dynamisches Wirtschaftswachstum sichern, hatte er versprochen. Die Wirklichkeit sieht anders aus, und das ist bereits auf Sarkozys Popularitätsbarometer abzulesen. Hatten unmittelbar nach der Wahl zwei Drittel der Franzosen große Hoffnungen mit dem neuen Präsidenten verbunden, so sind jüngsten Umfragen zufolge nur noch 51 Prozent davon überzeugt, dass er sein Programm erfolgreich umsetzen kann.

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