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Die Königin

Leipzig: Dank an Christa Gottschalk

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.

Leipzigs Schauspiel hatte die rauchig-sinnliche Marylu Poolman, die zarte schöne Ellen Hellwig, die fast südländisch lustvolle Astrid Bless, die eher nordisch beruhigte Regina Jeske. Aber immer war sie es, die mit Überragem beschäftigt war. Die Königin. Geradezu asketisch, mondän in härtestem Zuschnitt; das Unnahbare lag ihr mehr als der Handschlag.

Christa Gottschalk, Tochter eines Beamten und einer Hausfrau, 1927 geboren in Dessau, seit 1958 auf Leipzigs Bühnen stehend, hat die Iphigenie gespielt und Sakowskis Gertrud Habersaat. Diese Extreme als Kennzeichnung einer Palette. Wobei sie im Grunde nie zum Plebejischen neigte – nicht nur ihre Erscheinung war hochaufragend, ihre Kunstauffassung war es vor allem. Die Gottschalk, die Lady Macbeth und Ljubow Jarowaja war, hat das Fröhliche, das Öffnende, Ausgreifende des Spiels auf merkwürdig spröde Weise mit jener Introvertiertheit verbunden, die von ihr ausging. Sie war im Adel ihrer Erscheinung eine Vorsichtige, im Ausleben ihrer Extravaganz eine Schüchterne. Das gab ihrer Aura das Unverwechselbare. Sie hatte keinerlei Verbindung mehr zu privaten Welten, wenn sie die Bühne betrat. Das machte, dass man zu ihr aufschaute, aber manchmal die Fremdheit beim Zuschauen nicht loswurde. Das wirkte nach. Sperriges ist eine Kraft, die sich so querlegt, dass man sich gestört fühlt.

Vor wenigen Tagen wurde Christa Gottschalk, eine der Großen in Leipzigs Theatergeschichte, achtzig Jahre alt – nun gab es im Schauspielhaus einen literarischen Bühnenabschied für sie. Junge Menschen, wie wir Leipziger Studenten Anfang der Siebziger, hätten das Theater der Gottschalk, überhaupt das Leipziger Theater, gern etwas explosiver, unbekümmerter, radikaler gehabt. Sie aber gab nicht nach. Blieb hoher Ton. Heute blickt man zurück und weiß: Man hat etwas mitbekommen vom stolzen (äußerst radikalen!) Widerstand der Form gegen das Ungebärdige. Plötzlich, nach Jahren, zehrt man von der entschleunigten Präzision der Gottschalk, von ihrer Kühnheit, absolut unmodisch zu sein, von ihrem sprachlichen Singen, ihrem Klirren, ihrer Gehobenheit. Sie hat der Zeit etwas entgegengesetzt, das sich mit den hohen Dichtern im Bunde wusste. Sie war eine Predigerin gegen das Profane. Es hat sich eingeprägt.

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