Region auf der Suche nach ihrem Hafen

In Wilhelmshaven sollte längst mit dem Bau des »JadeWeserPorts« begonnen worden sein, aber ...

  • Ulf Buschmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Wilhelmshaven. Es gibt noch immer Optimisten. Sie glauben, dass es bald mit dem Bau des Millionenprojekts »JadeWeserPort«, kurz JWP, losgeht.

Noch immer ist das monatelange Hickhack um Personalien, angebliche Eingriffe der Politik in das Vergabeverfahren, zu enge Kontakte ehemaliger Mitarbeiter der »JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft« zu Baufirmen nicht ausgestanden. Ein von den niedersächsischen Landtagsfraktionen der Grünen und der SPD durchgedrückter Parlamentarischer Untersuchungsausschuss bestimmt seit mehreren Wochen das Geschehen. Das nach Meinung vieler Experten wichtigste Projekt an der deutschen Küste seit Jahrzehnten droht langsam aber sicher zu versanden.

Dabei hat der JWP das Zeug zu einem kleinen Juwel. Der östlichste Hafen der europäischen »Nordrange« bietet Platz für die größten derzeit auf den Weltmeeren verkehrenden Containerschiffe mit einem Tiefgang bis zu 16,50 Meter – und das unabhängig von Hoch- oder Niedrigwasser, der Tide.

Davon können die Hamburger, die seit Jahren verbissen für die Vertiefung der Elbe kämpfen, nur träumen. Schiffslängen bis zu 430 Meter sind für den »JadeWeserPort« kein Problem und der Wendebereich von 700 Metern dürfte auch noch das Herz jedes Kapitäns höher schlagen lassen.

Fast eine Milliarde Euro möchten die beiden beteiligten Bundesländer Bremen und Niedersachsen sowie der künftige Terminalbetreiber Eurogate in das Projekt investieren. Für das Geld sollen ein 1725 Meter langer Kai, 120 Hektar Terminalfläche sowie 170 Hektar Logistikzone entstehen. Das erste Schiff soll 2010 abgefertigt werden.

Es geht also um etwas – nicht nur um Geld, sondern auch um bis zu 2000 neue Arbeitsplätze in der ansonsten strukturschwachen Region um Wilhelmshaven. Vor allem aber geht es darum, ob die deutschen Seehäfen auch in Zukunft international ganz vorne mitspielen können oder ihren Platz an die Konkurrenten Antwerpen und Rotterdam abgeben müssen.

Statt sich jedoch Profis einzukaufen, besteht der größte Teil des Teams der »JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft« aus Spielern der Kreisklasse A. Diesen Vergleich wagte vor einigen Wochen ein Hafenspezialist der Bremer Universität. Als Fehleinkauf gilt inzwischen Helmut Werner. Der Geschäftsführer, der Journalisten schonmal barsch abkanzelt, ist in den vergangenen Wochen zusehends in die Kritik geraten.

Werners Co-Geschäftsführer Jürgen Holtermann, im Hauptberuf Chef von »bremenports«, war als Zeuge vor den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zitiert worden. Dort beklagte sich Holtermann darüber, dass er bestimmte Akten des Vergabeverfahrens für den Bau des JWP nicht zu Gesicht bekommen habe. Diese Nachricht schlug ein wie eine Bombe und bestärkte SPD und Grüne in ihrer Auffassung, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Die Gesellschafter der Realisierungsgesellschaft, Bremen und Niedersachsen, verständigten sich auf eine »Neuorganisation« der Geschäftsführung.

Den Eindruck von SPD und Grünen in Sachen Auftragsvergabe teilte auch die im Bieterverfahren gegen den Baumulti »Hochtief« unterlegene Bunte-Gruppe. Die Papenburger zogen vor Gericht und bekamen in zweiter Instanz Recht. Jetzt hätte es eigentlich losgehen können. Doch Hochtief sitzt seit Wochen auf für den Hafenbau bestimmten Stahlkontingenten und will diese nicht herausrücken. Ergebnis: Bunte bekommt kein Baumaterial für die Kaje – und kann nicht mit dem Bau beginnen. An anderer Stelle waren die Arbeitsrichter gefordert. Hintergrund: Der ehemalige Hafen-Chefplaner Wolf-Dietmar Starke war geschasst worden. Der Vorwurf: Zu enge Beziehungen zu Hochtief. Gegen die Kündigung klagte Starke. Beide Seiten habe sich inzwischen auf einen Vergleich verständigt.

Es fehlt noch das letzte Glied in der Kette von Unglücken: der Parlamentarische Untersuchungsausschuss. Viele Beobachter der politischen Szenerie teilen die Ansicht, dass dort weniger zur Aufklärung beigetragen werde. Vielmehr setze sich dort der Wahlkampf für die niedersächsische Landstagswahl am 27. Januar fort – bis dahin muss übrigens der Abschlussbericht vorliegen. Spätestens dann, hoffen wohl Beteiligte, könne endlich mit dem Bau des JWP begonnen werden. Jeder Mitarbeiter der Realisierungsgesellschaft habe korrekt gehandelt, wird denn auch ein Sprecher nicht müde zu erklären: »Beim Bieterverfahren ist alles korrekt gelaufen.«

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