Ganz schön spartanisch
Jugenderziehung in der griechischen Antike
Mit Google findet sich im Internet das Wort »spartanisch« rund 220 000 Mal. Da wimmelt es nur so von »spartanisch eingerichteten Hotelzimmern«, »spartanisch ausgestatteten« Analog-Satellitenempfängern und Berliner Fitness-Studios mit einer Angebotsspanne von »edel bis spartanisch«. Lebten im antiken Sparta, das seine goldene Zeit etwa zwischen 550 bis 371 v. Chr. erlebte, nur Menschen, die fürs Edle und den Luxus nichts übrig hatten? Tatsächlich verbinde man mit »spartanisch« schon in der Antike »Ernsthaftigkeit, Askese, auch und vor allem Härte gegen sich selbst«, sagt Ernst Baltrusch, Professor für Alte Geschichte an der FU Berlin, dessen Buch »Sparta. Geschichte, Gesellschaft, Kultur« jüngt in 3. Auflage erschien.
. Schon die Kinder Spartas spüren, was es bedeutet, in einer wehrhaften Gesellschaft aufzuwachsen. Ihre Kindheit endet mit dem siebten Geburtstag. Dann beginnt die Agoge, der staatlich verordnete Aufenthalt in einer Art Militärcamp. Die Erzieher legen Wert auf Kraft, Gewandtheit und Ausdauer ihrer Schüler. Auch lernen die Kleinen, Kälte und Hitze, Hunger und Durst sowie Schläge und Schmerzen zu ertragen. Mit 14 Jahren, nach der Grundausbildung, werden die Knaben noch gezielter auf ein Leben als Kämpfer vorbereitet: Sie schlafen zur Abhärtung auf Schilf und dürfen pro Jahr nur einen Mantel tragen. Ihre Mahlzeiten sind karg, um sie an dürftiges Essen zu gewöhnen. Aber auch, weil ihre Ausbilder fälschlicherweise annehmen, »dass eine schlank machende Ernährungsweise auch das Wachstum anregt«, wie der englische Althistoriker Nick Sekunda in seinem Buch »The Spartan Army« schreibt. Kampfspiele und andere Wettbewerbe sollen Ehrgeiz und Konkurrenzdenken fördern.
Ein kurios anmutendes Wettspiel zu Ehren der Jagdgöttin Artemis besteht Überlieferungen zufolge darin, dass die Jungen sich ihre Nahrung stehlen sollen. Bestraft wird nur, wer sich dummerweise dabei erwischen lässt – zur Vorbereitung auf Kriege vermutlich eine nützliche Übung. »Mit 18 Jahren haben die Jungen das Schwerste hinter sich«, urteilt Baltrusch. Aber noch bis zum Alter von 30 Jahren, wenn sie Vollbürger werden, bleiben sie als reine Männergemeinschaft mehr oder minder unter sich – auch nachts. Wo vormilitärischer Drill schon so früh eine so große Rolle spielt, reifen äußerst brauchbare Soldaten heran. Nach einem Wort des griechischen Philosophen Plutarch sind die Männer Spartas die einzigen, für welche der Krieg eine willkommene Abwechslung vom Training auf diesen ist.
Für das antike Griechenland seltsam genug, werden die Mädchen ebenso sorgfältig erzogen wie die Jungs. Auch sie üben ihre Körper im Ringkampf, im Laufen und in Wurfdisziplinen, was ihre Kraft unter Griechen schnell legendär macht. Anders als die Jungen bleiben die Mädchen auch nach vollendetem siebten Lebensjahr im Elternhaus und werden auf ihre spätere Mutterrolle und die Aufgabe als Leiterin eines oikos, eines Haushaltes also, vorbereitet. Familienpolitik auf Spartanisch.
Sehen sich die Spartaner untereinander – zumindest dem Ideal nach – als Gleiche, so gründet ihre Gesellschaft doch auf Ungleichheit, krasser gesagt: auf einem Regime der Apartheid. Nicht umsonst runzeln Althistoriker die Stirn, wenn heute umgangssprachlich – wie auch vereinfachend in diesem Text – von »den Spartanern« gesprochen wird. Denn wissenschaftlich exakt gehören in diese Gruppe nicht nur die Vollbürger, die sogenannten Spartiaten. Spartaner sind auch die unter 30-Jährigen, außerdem ehemalige Vollbürger, die ihre Rechte ganz oder teilweise eingebüßt haben, sowie die deutlich größere Gruppe der Periöken (»Ringsumwohnende«). Während die Spartaner in der fruchtbaren Ebene des Flusses Eurotas leben, besiedeln die etwa 55 000 Periöken die Küste des Peloponnes und die Ränder der Gebirge Taygetos und Parnon, zwischen denen die Stadt Sparta liegt. Ganz unten in der Hierarchie stehen die vermutlich etwa 200 000 Heloten (die »Eroberten« oder »Gefangenen«). Obwohl zahlenmäßig den 20 000 bis 30 000 Spartanern weit überlegen, sind diese Staatssklaven völlig rechtlos.
Der Mythos Spartas gedieh schon im antiken Griechenland und wurde nach dem Niedergang der Polis um 370 v.Chr. gerade in Athen von Gegnern der Demokratie genährt. Die Vorstellung von den zu sich selbst unerbittlichen Spartanern hat sich jahrtausendelang gehalten. »Mit Ausnahme Roms hat keine Stadt der Antike bei der Nachwelt größeres Interesse gefunden, keine wurde glühender verehrt, keine schroffer abgelehnt als Sparta«, sagt Baltrusch. Die Nazis betonten Kampfbereitschaft und Durchhaltewillen der Spartaner, waren fasziniert von der rassisch reinen Schicht, die ein riesiges Sklavenheer beherrschte. Ähnliches schwebte Hitler nach dem »Endsieg« in Osteuropa vor.
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