Hauptmannsgarde marschiert wieder

Von ABM Pickelhaube und Hartz-Truppe zu mehr Sponsoren für Köpenicker Spektakel

  • Wolfgang Weiß
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor dem historischen Rathaus wird wieder marschiert, vorerst aber nur am Sonnabend. Wenn es jedoch nach dem ehrenamtlichen Verein der Hauptmannsgarde geht, werden sich die preußisch-blauen Uniformträger ab März auch wieder mittwochs um 11 Uhr präsentieren.

Seit dem Jahr 2000 spielen die »Gardisten aus der Kaiserzeit« für Touristen und Einheimische die berühmte Köpenickiade von 1906 nach. Damals hatte der arbeitslose Schuster Wilhelm Voigt in einer geliehenen Hauptmannsuniform einen Trupp Soldaten auf der Straße rekrutiert und war damit nach Köpenick gefahren, wo er den Bürgermeister verhaften und die Stadtkasse beschlagnahmen ließ.

Arbeitslose waren es auch, die auf Initiative des örtlichen Tourismusvereins im Rahmen einer ABM-Maßnahme (ABM »Pickelhaube«) vor sieben Jahren damit begannen, den Handstreich des »Hauptmanns von Köpenick« als Straßenevent aufzuführen. Als die Förderung – das Arbeitsamt hatte das Gehalt der Gardisten bezahlt und für die Anschaffung von Uniformen und Waffen gesorgt – auslief, musste ein Verein die Führung der Garde übernehmen, ehrenamtlich.

Abgesehen von wenigen kleinen Spenden der Touristen trat die Garde – überwiegend Hartz-IV-Empfänger – unentgeltlich auf, während der Bezirk, vor allem aber touristisch orientierte Unternehmen wie Hotels und Reiseveranstalter von dem Spektakel profitierten, ohne einen Cent dafür zu bezahlen. Das konnte so nicht weiter gehen, sagt Michael Sternbeck. Der Wirt der »Gardestube« in der Rosenstraße, der den Verein leitet, und seine Gardisten beschlossen Ende Oktober vergangenen Jahres, die Auftritte einzustellen, um allen an dem Event Interessierten eine »Denkpause« zu geben.

Diese ist nun vorbei. Nun spielt die Hauptmannsgarde wieder in Alt-Köpenick. Zwar konnten, so Michael Sternbeck, nicht alle mit der Denkpause angestrebten Ziele erreicht werden, aber es sei etwas positiv in Bewegung geraten. Treptow-Köpenicks Bezirksbürgermeisterin Gabriele Schöttler (SPD) habe an spezielle kulturelle Aktivitäten gebundene Unterstützung zugesagt. Der Bezirk stehe beratend und helfend zur Seite, äußerte sie gegenüber Journalisten. Auch von Einzelpersonen hat es finanzielle Unterstützung gegeben.

Enttäuschend, so der Gardechef, verlaufe dagegen bisher die Reaktion von Hotels und Busunternehmen, die sogar mit den Auftritten der Garde Werbung betrieben. Als nächstes wolle man weitere Sponsoren gewinnen, um die Garde auch personell aufstocken zu können, denn mit den vorhandenen acht Mann seien zwei Auftritte pro Woche nicht sicherzustellen. Interessierte können sich in der »Gardestube« direkt oder unter der Telefonnummer 64 16 74 31 melden.

Michael Diehl vom Tourismusverein Treptow-Köpenick zeigte sich ebenfalls sehr interessiert an weiteren qualitativ hochwertigen Auftritten der Garde als Imagepflege des Bezirkes. Der Tourismusverein könne zwar keine Hauptmannsgarde bezahlen, wolle aber zum Beispiel bei der Vermittlung von Auftrittsmöglichkeiten gegen Honorar behilflich sein. Der Touristiker setzte sich für einen Mix aus öffentlicher und privater Förderung des prestigeträchtigen Events ein und forderte gleichzeitig den Gardeverein auf, auch selbst verstärkt aktiv zu werden.

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