Polizeichef räumte Fehler ein

Grüne und LINKE übten scharfe Kritik an der Weiterleitung der Namen von Antifaschisten

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Was am Wochenende noch als ungeheuerlicher Vorwurf durch die Medien geisterte, bestätigte sich gestern im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Die Polizei hat im Zuge von Ermittlungen gegen drei Antifaschisten deren Namen an mutmaßliche Neonazis übermittelt. »Wir haben am 27. September 2007 die Geschädigten mit einem Fragebogen angeschrieben, auf dem die drei Beschuldigten mit Vor- und Familiennamen genannt waren«, räumte Polizeipräsident Dieter Glietsch gestern ein.

Den drei Antifaschisten wird vorgeworfen, sie hätten beim »Aktionstag gegen Rassismus, Neonazismus und Krieg – Tag der Mahnung« am 9. September 2007 ein Plakat mit 40 Porträts von Rechtsextremen an einem Infostand gezeigt (ND berichtete). Staatsschützer des Landeskriminalamtes (LKA) sahen darin eine Verletzung des Kunsturhebergesetzes und ermutigten die Geschädigten, Strafanzeige zu stellen. Da eine Verletzung des Kunsturhebergesetzes jedoch ein Antragsdelikt ist, muss zunächst eine Anzeige erstattet werden, bevor Behörden weiter ermitteln können.

Genau den Umstand, dass sich die Staatsschützer ihre eigenen Ermittlungen organisiert haben, kritisierte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann scharf: »Das ist eine Praxis, die uns aus anderen Bereichen nicht bekannt ist.« Bei Graffiti würde schließlich auch nicht jeder Hausbesitzer zur Anzeige aufgefordert. Außerdem, erklärte Ratzmann, sei ihm kein Verfahren bekannt, wo im umgekehrten Fall Neonazis der Anti-Antifa mit ähnlichen Verfahren überzogen worden seien. Alles in allem ein »fragwürdiger und merkwürdiger« Vorgang, meinte Ratzmann.

Auch beim Koalitionspartner der SPD, der LINKEN, hatte man ein Problem mit der Vorgehensweise der Polizei. »Verletzung des Kunsturhebergesetzes ist ein harmloses Antragsdelikt«, betonte die innenpolitische Sprecherin Marion Seelig. Dies rangiere in der Strafrechtshierarchie weit unten. Dass jedoch aufgrund dieses Vorwurfs Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden, bezeichnete Seelig als »unverhältnismäßig«. Sie mahnte ein sensibleres Vorgehen der Polizei an.

Dem folgte denn auch überraschend der Polizeipräsident. Glietsch kündigte eine Änderung der Verfahrensweise an: Er habe eine Weisung erteilt, dass Namen von Beschuldigten, bei denen ein links- oder rechtsextremistischer Hintergrund vermutet wird, künftig nicht mehr übermittelt werden. Zudem stellte er klar, dass Verstöße gegen das Kunsturhebergesetz nicht mehr Schwerpunkt der Aktivitäten des Staatsschutzes sein werden. Grundsätzlich sei das Vorgehen der Dienststelle jedoch rechtlich nicht zu beanstanden gewesen, so Glietsch.

Dieser Auffassung schloss sich auch der Innensenator an. »Sie können Polizeibeamte nicht verpflichten, einen denkbaren Straftatbestand nicht aufzunehmen«, erklärte Ehrhart Körting (SPD). Ähnlich schützend stellte sich der Innenressortchef vor die bediensteten Polizisten des Abschiebegewahrsams Köpenick. Ihnen sprach er jedwede Mitschuld am Suizid des 28-jährigen Tunesiers Mohammed M. ab. Der Leichnam des Abschiebehäftlings, der Neujahr seinen Verletzungen im Unfallkrankenhaus Marzahn erlegen war, ist inzwischen nach Tunesien zur Beerdigung überführt worden.

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