»Irgendwann steht das Ding da«

Parlamentsausschuss vertagte Entscheidung über gemeinsamen Antrag gegen Steinkohlekraftwerk

  • Karin Nölte
  • Lesedauer: 3 Min.

Es sollte eine ganz große Koalition werden: Alle fünf Fraktionen im Abgeordnetenhaus wollten sich gemeinsam gegen das vom Energiekonzern Vattenfall geplante Steinkohlekraftwerk in Lichtenberg wenden. Doch die Koalition platzte, bevor sie entstand. Zunächst jedenfalls.

Im Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz stand der gemeinsame Antrag gestern an der Spitze der Tagesordnung. Doch gleich zu Beginn meldete sich der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz: Seine Fraktion habe noch Besprechungsbedarf, sie werde sich aber »schnellstmöglich« mit dem Antrag befassen, man bitte um Vertagung.

Der Hintergrund: Die Gremien der SPD arbeiten anders als andere, nämlich in diversen Arbeitskreisen, und jedes Thema muss geduldig warten, bis es auf die Tagesordnung kommt. Zwar hatten sich die fünf Fraktionen letzten Donnerstag am Rande der Plenarsitzung auf den Antragstext geeinigt, doch die Absicht der SPD, auf ihrer Klausurtagung am Wochenende die Sache zu beraten, schlug fehl. Nun müssen sich erst der Arbeitskreis Wirtschaft, dann der Fraktionsvorstand und noch einmal die Fraktion mit dem Anliegen beschäftigen. Und kein Geheimnis ist, dass Wirtschaftsexperten der SPD sich nicht einig sind, ob sie pro oder kontra Steinkohlekraftwerk sind.

Die Opposition zeigte sich nun enttäuscht. Michael Schäfer (Grüne) kritisierte das »Doppelspiel der SPD«. Seit einem Jahr befasse sich das Parlament mit dem Thema. Sollte die SPD jetzt Wischiwaschi-

Formulierungen in den Antragstext schreiben, würden die Grünen nicht zustimmen. Das Abgeordnetenhaus müsse sich eindeutig zum Klima- und Wettbewerbskiller Steinkohlekraftwerk positionieren. Und die Position müsse der Senat gegenüber Vattenfall deutlich machen. Er bitte die SPD »dringend um Terminierung«, sagte Schäfer, womit er eine Vertagung erst einmal nicht ausschloss.

»Nicht nachvollziehbar« aber denkbar im Sinne des Ziels, gemeinsam aktiv zu werden, fand Henner Schmidt (FDP) eine Vertagung. »Irgendwann steht das Ding von Vattenfall da.«

»Auszeit ja, Vertagung nein«, warf Carsten Wilke (CDU) in die Runde. Die SPD stelle das gemeinsame Vorgehen des Abgeordnetenhauses in Frage. Es könnte ja sein, dass Vattenfall das Parlament nicht ernst nimmt, wenn es sich ständig vertagt.

Für die Linkspartei erklärte Marion Platta, sie akzeptiere den Beratungsbedarf des Koalitionspartners. Klingenberg brauche in absehbarer Zeit einen adäquaten Ersatz, räumte sie ein und dem »Koalitionspartner eine gewisse Zeit«.

Auf Anfrage, was »schnellstmöglich« bedeute, sagte Buchholz, der Zeitraum bis zur nächsten Ausschusssitzung in drei Wochen sei zu kurz, vielleicht könnte man sich auf der übernächsten Sitzung auf einen »All-Parteien-Antrag« einigen.

Bei der Abstimmung über den Vertagungsantrag der SPD stimmten die Regierungsfraktionen dafür, die Oppositionsfraktionen dagegen.


Aus dem gemeinsamen Antrag:
»Das Abgeordnetenhaus spricht sich gegen den Neubau eines Steinkohlekraftwerks ... aus. Da das geplante Steinkohlekraftwerk einen erheblichen Teil der gesamten Berliner CO2-Emissionen erzeugen würde, wären die klimapolitischen Ziele des Landes Berlin nicht mehr zu halten ... Der Senat wird gebeten, diese Position gegenüber Vattenfall und anderen Energieunternehmen deutlich zu machen.«

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