Feldzug gegen Irak nach Phase II

Selbst die CIA sieht keine Beweise für Terror Bagdads /Neue Vorwürfe gegen Iran

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: ca. 4.0 Min.

Ob gegen Al Qaida oder gegen Irak Krieg geführt werden soll, gegen Terrorismus oder Schurkenregime - diese Unterscheidung verliert für die Bush-Regierung inzwischen an Bedeutung. Konservative operieren längst mit einem »Phasenmodell«.

Vor dem Geheimdienstausschuss des Washingtoner Senats hat sich am Mittwoch erstmals seit dem 11. September der Chef der USA-Auslandsspionage CIA, George Tenet. geäußert. Rund 1000 Mitglieder des Al-Qaida-Netzwerks seien seit den Terroranschlägen in 60 Ländern gefangen genommen worden. Doch damit habe man die Organisation keineswegs zerstört, warnte Tenet die Senatoren. Ihre Köpfe seien bloß untergetaucht, Al-Qaida und weitere terroristische Gruppierungen würden »mehrfach Angriffe auf die USA planen«. In größeren Städten Europas und des Nahen Ostens seien weiter existierende Al-Qaida-Zellen in der Lage, sofort zuzuschlagen.
Tenet musste seine Behörde aber auch gegen die bohrenden Fragen mehrerer Senatoren verteidigen, weshalb die CIA die Angriffe vom 11. September nicht habe voraussagen können. »Geheimdienstaktivitäten haben niemals eine hundertprozentige Voraussagekapazität«, rechtfertigte Tenet gewunden die CIA. Der Geheimdienst sei im vergangenen Sommer schon »im weitesten Sinne« von terroristischen Angriffsplänen ausgegangen. Aber die Informationen seien nur vage gewesen. Tenet weiter: »Wir müssen auf einen langen Krieg vorbereitet sein, und wir dürfen dabei nicht einknicken.«
Vom Irak, der von Präsident George Bush am 29. Januar zusammen mit Iran und Nordkorea der »Achse des Bösen« zugeschlagen wurde und seitdem als nächstes militärisches Angriffsziel der USA gilt, sprach Tenet interessanterweise nicht. Stattdessen erwähnte er Iran als wahrscheinliche Herberge von Al-Qaida-Flüchtlingen sowie als Staat, der »Massenvernichtungswaffen und Raketensprengköpfe erwirbt, wo immer er kann«. Zeitgleich zu Tenets Anhörung ließ sich USA-Außenminister Colin Powell vor dem Außenausschuss des Repräsentantenhauses aus. Teheran versuche die afghanische Regierung zu destabilisieren, so Powell, davon müsse die iranische Führung abgebracht werden. Iran und nicht mehr Irak als Bedrohung US-amerikanischer Interessen?
Tatsächlich hatte die »New York Times« in ihrer Mittwochsausgabe USA-Geheimdienstler zitiert, die eine Verbindung des irakischen Regimes mit terroristischen Aktivitäten ausschließen. Saddam Hussein habe »keine chemischen oder biologischen Waffen an Al Qaida oder an sonstige terroristische Gruppierungen weitergegeben«, hieß es in der Zeitung. Der letzte Terrorplan Iraks sei der zur Ermordung von Bush sen. bei seinem Kuweit-Besuch im Jahr 1993 gewesen. Außerdem hätte sich die angebliche Bagdader Terror-Connection ausschließlich auf magere Berichte von einem Treffen eines irakischen Geheimdienstlers mit dem mutmaßlichen Flugzeugattentäter Mohammed Atta in Prag gestützt.
Monatelang hat eine konservative Anti-Irak-Lobby in Washington versucht, die Bush-Regierung auf einen umfassenden Krieg gegen das Badgader Regime einzuschwören und ihr dabei die Besorgnisse der engsten Alliierten auszureden. Offenbar mit Erfolg, wie die Bush-Rede am 29. Januar zeigte. Die Hardliner sitzen in der Pentagon-Führung und diversen Denkfabriken. Konservative Ideologen sorgen für »Argumente« und große Medienpräsenz. Und offenbar ist der Richtungsstreit, den diese Hardliner mit den bündnisorientierten Pragmatikern im Außenministerium führten, inzwischen ausgefochten. »Wenn es eine ernsthafte interne Debatte innerhalb der Regierung über das Vorgehen gegen Irak gegeben haben sollte, dann ist sie beendet«, fasste Charles Krauthammer, der konservative Kolumnist der »Washington Post«, jetzt die Lage zusammen. Präsident Bush habe den »Krieg gegen den Terorismus« in seiner Rede vor dem Kongress neu definiert. Laut Krauthammer wird Bush seine Popularität für einen weitaus größeren und riskanteren Krieg nutzen. »Bislang ging es um den 11. September«, schrieb er, »aber der Krieg, der wirkliche Krieg dreht sich nicht um den 11. September, sondern darum, den nächsten 11. September zu verhindern - insbesondere einen nuklearen, chemischen oder biologischen 11. September.«
Wohin gehen die USA also »nach Phase eins, Afghanistan«, fragt Krauthammer. Antwort: Phase zwei beginne jetzt mit der Terroristenjagd von den Philippinen über Bosnien bis nach Somalia sowie damit,
»ehemalige bad guys wie Jemen oder Sudan unter Druck zu setzen«. Und Phase drei, der Sturz Saddam Husseins, werde in aller Ruhe vorbereitet, während Phase zwei wochenlang Schlagzeilen macht. Einen groß angelegten Feldzug gegen Irak sagt der konservative Kenner der Bush-Truppe innerhalb von 12 Monaten voraus.
Fluchthelfer für Al Qaida

Im November vergangenen Jahres lief die Meldung, dass Tausende pakistanische Militärberater auf Seiten der Taleban sowie für Osama bin Ladens Al Qaida kämpfende pakistanische Staatsangehörige und hochrangige Taleban-Führer mit mysteriösen Transportmaschinen nachts aus der von der Nordallianz belagerten Stadt Kunduz ausgeflogen worden seien. Die USA-Regierung hatte das sofort dementiert - und gelogen. Wie das Magazin »New Yorker« jetzt berichtete, bestätigten mit der Aktion unzufriedene Geheimdienstler und Militärs gegenüber dem Autor Seymon Hersh, dass die USA diese organisierte Flucht seinerzeit befürwortet hätten. Dorfbewohner und Kommandeure der vorrückenden Nordallianz hatten damals nächtelang solche Flüge vom Flughafen Kunduz beobachtet. Die »New York Times« meldete am 24. November, dass dort täglich mehrere große Transportmaschinen landeten und Menschen ausflogen. Angesichts der absoluten Lufthoheit, die die US-Airforce zu diesem Zeitpunkt über der Region hatte, ist es nicht vorstellbar, dass das ohne ihr Wissen ging. Hershs Informanten aus den USA-Geheimdiensten zufolge hatte Washington die Aktion akzeptiert, weil Pakistans Präsident Musharraf darauf hinwies, dass es eine Frage seines politischen Überlebens sei, wenn tausende Pakistanis in Afghanistan gefangen genommen oder getötet würden. Zusammen mit den rund 5000 Pakistanis, darunter zwei Generälen, sei eine noch unbekannte Zahl von Taleban-Kadern und Al-Qaida-Mitgliedern ausgeflogen. Zu diesem Zeitpunkt hofften Washington und Islamabad noch, »gemäßigte«, sprich weniger antiamerikanische, Taleban in die künftige Administration Afghanstans einbeziehen zu können. Mit welche Aufgaben die außer Lande gebrachten Al-Qaida-Kämpfer nun ...

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