»Stasi-Ausstellung ohne Namen sinnlos«

Streit um Reichenbacher MfS-Schau schwappt bis nach Berlin

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Streit um eine Ausstellung über das Wirken des MfS im sächsischen Reichenbach – bisher auf regionale Akteure begrenzt, hat er nun auch Berlin erreicht. Dank der Warnungen von Hubertus Knabe, der bereits die »Aufklärung über das SED-Regime« gefährdet sieht.

Im Moment gibt es keine Ausstellung mehr. Ihr Initiator, der Reichenbacher Pfarrer und Hobby-Historiker Edmund Käbisch, hat sie eingesammelt. Die Entscheidung wirkt ein wenig übertrieben, hat aber sicher damit zu tun, dass die Schautafeln zum Thema »Christliches Handeln in der DDR« die Emotionen schon zuvor hatten hochschlagen lassen. Dies dürfte allerdings weniger ihrer Brisanz geschuldet sein, sondern der Tatsache, dass einer der darin aufgeführten geschichtlichen Akteure mit der Veröffentlichung seiner persönlichen Daten nicht einverstanden war. Denn wie beinahe schon zu vermuten, stieß die Schau über christliches Handeln in der DDR schnell auf unchristliches, ja teuflisches Beiwerk – das Wirken der Stasi. So waren Schautafeln, auf denen einstige IM an den »Pranger gestellt« wurden (»Freie Presse«) bereits entfernt, dann aber wieder eingefügt worden. Was dem Stadtoberhaupt das Presselob eintrug, nicht klein beigegeben zu haben.

Dann aber überzeugte der in der Schau mit seinem Klarnamen aufgeführte »IM Schubert« das Landgericht in Zwickau davon, dass die Nennung seiner Daten seine Persönlichkeitsrechte verletze. Eine Namensnennung, so die Richter, sei nur zulässig, wenn der IM im MfS-Gefüge eine exponierte Stellung hatte oder im öffentlichen Leben eine herausgehobene Stellung innehabe. Beides trifft auf »Schubert« wohl nicht zu.

Dennoch wurde und wird mit harten Bandagen gekämpft. Religionslehrer Edmund Käbisch, der zu DDR-Zeiten Zwickauer Dompfarrer war und in den Presseberichten mit der erstaunlichen Mitteilung zitiert wird, auf ihn seien in dieser dunklen Zeit 60 IM angesetzt gewesen, hat Widerspruch gegen die Entscheidung des Zwickauer Landgerichts eingelegt. Am 8. April fällt das Urteil in der Schautafel-Sache.

»Ohne die Namen zu nennen, macht die Aufarbeitung keinen Sinn«, wird Käbisch von dpa zitiert – auch wenn die Ausstellung über den Erkenntnis-Rahmen einer solchen Schau nicht hinauszugehen scheint. Käbisch organisierte sie gemeinsam mit Schülern des Reichenbacher Gymnasiums. Allein eine Patenschaft der ansässigen Pestalozzi-Oberschule mit der Kreisdienststelle des MfS konnte der Pfarrer der Öffentlichkeit schließlich als »Sensation« präsentieren, was wiederum bei den einst Beteiligten Kopfschütteln auslöste. Eine längst bekannte Geschichte sei dies und über das in der DDR flächendeckend Übliche nicht hinausgegangen.

Der Abbruch der Ausstellung gefährdet nach Ansicht von Hubertus Knabe, Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, dennoch die Aufklärung der DDR-Geschichte. Der Schutz der Persönlichkeitsrechte dürfe nicht zum Täterschutz werden. Und Marianne Birthler, Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, sieht es »mit Sorge«, dass Stasi-Mitarbeiter zunehmend versuchten, Ausstellungen zu verhindern.

Thomas Höllrich, Mitglied der LINKEN in Reichenbachs Stadtrat und »Schuberts« Anwalt, weist hingegen auf das Recht zur informationellen Selbstbestimmung hin, das auch für seinen Mandanten gelte. Er registriert eine »Hetze« der regionalen Presse und macht als deren Zielrichtung auch seine Partei aus, die erneut mit dem Vorwurf mangelnder Aufarbeitungsbereitschaft konfrontiert wird. Höllrich selbst ist inzwischen Gegenstand heftiger Angriffe der lokalen CDU. Mit der Formulierung, dass in Reichenbach »Pogromstimmung« herrsche, hat er die Stimmung weiter angeheizt. Eine »unglaubliche Entgleisung«, heißt es in einer CDU-Erklärung, mit der Höllrich die demokratische Aufarbeitung der DDR-Geschichte mit dem menschenverachtenden NS-Regime gleichsetze.

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