Erstaunlicher Wandel der PKK

Drei Jahre nach der Verschleppung des Kurdenführers Abdullah Öcalan

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

Vor drei Jahren ging ein Bild um die Welt, das bei Millionen von Kurden tiefe Demütigung hinterließ. Mit verbundenen Augen und gefesselt, die Haare zerzaust, wurde ein offensichtlich desorientierter Mann vor gleich zwei türkischen Fahnen gezeigt. Abdullah Öcalan, Gründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) war gefangen.

Die Türkei jubelte, endlich hatten sie ihn, den Staatsfeind Nr. 1, den »Kindermörder« und »Terroristen«. Unter den Kurden in aller Welt aber verbreitete sich ohnmächtiger Zorn und große Enttäuschung. Wut richtete sich vor allem gegen Vertretungen Griechenlands und Israels, denen man eine direkte Beteiligung an der Geheimdienstaktion zuschrieb, mit der Öcalan am 15. Februar 1999 von Kenia in die Türkei verschleppt worden war. Schließlich, am Ende eines hastigen Schauprozesses, wurde Öcalan im Juni 1999 zum Tode verurteilt. Viele erwarteten damals das Ende der PKK. Stattdessen unterzog die Partei sich einem erstaunlichen Wandel. Dabei verlor sie langjährige Mitkämpfer, die ihr »Verrat« an den Zielen des opferreichen Kampfes vorwarfen. Öcalan hatte beim Prozess für Verwirrung gesorgt. Er plädierte für eine »Demokratische Republik Türkei«, was alte Weggefährten und die türkische Linke als »opportunistisch« bezeichneten. Öcalan, so die Kritiker, wolle nur seinen Kopf retten. Unbeirrt von inneren Konflikten und äußerem Druck folgte die PKK jedoch am 1.September 1999 dem Aufruf Öcalans, den bewaffneten Kampf gegen die Türkei einzustellen. Beim Rückzug in den Nordirak kam es zu einem mörderischen Nachsetzen der türkischen Armee, teilweise in Kooperation mit Milizen der irakischen Kurdischen Demokratischen Partei (KDP). Viele PKK-Kämpferinnen und Kämpfer wurden getötet oder gefangen genommen. Bereits seit 1993 hatte die PKK die Forderung nach einem kurdischen Staat modifiziert. Öcalan sprach von einer Förderation in der Türkei zwischen Kurden und Türken auf der Basis von Gleichberechtigung. In den folgenden Jahren erweiterte die PKK dieses Modell auf die gesamte Region des Mittleren Ostens. Nach dem 11.September hält die PKK noch weitergehende Veränderungen für erforderlich. Auf dem bevorstehenden 8.Parteikongress stehen die Struktur und sogar der Name der Partei zur Diskussion. Bei dem Versuch, sich von der militärischen Linie zu verabschieden, ohne die Kraft zur Selbstverteidigung aufzugeben, balanciert die PKK auf einem schmalen Grad. Anders als beim Friedensprozess in Nordirland, gibt es für die politische Transformation der PKK keine internationale Unterstützung. Ihre Analysen von der USA-dominierten Neuordnung der Welt nach dem Fall der Sowjetunion haben sich bewahrheitet. Der Fokus liege im Mittleren Osten, so die Partei, die für eine umfassende Demokratisierung eintritt. In der Erklärung des Präsidialrates von Januar heißt es dazu, »die monarchistischen, autokratischen und oligarchischen politischen Systeme, die im Mittleren Osten herrschen, (müssen) überwunden werden«. Die PKK lehnt eine Einmischung von außen ab, ist aber realistisch genug zu wissen, dass sie eine solche letztlich nicht abwenden kann. Der PKK geht es um die »innere Einheit der Völker in der gesamten Region«. Um »demokratisches Denken« durchzusetzen, sei eine »Revolution des Bewusstseins« erforderlich. Sich selbst schließt sie dabei nicht aus. Nationalistische, religiöse und bestimmte linke Denksysteme müssten überwunden werden, da diese nur noch engstirnig und dogmatisch seien. Laut einer Umfrage der Internetzeitung »Kurdish Media« entspricht diese Position in etwa der Ansicht von 50,1 Prozent der Leser. Sie meinen, man solle bei einem drohenden Krieg gegen Irak »neutral bleiben«. Die Leser von »Kurdish Media« bescheinigen der PKK große Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit anderen kurdischen Parteien. Abdullah Öcalan ist derweil zum Ausharren verurteilt. Dem einzigen Gefangenen auf der Insel Imrali im Marmara Meer sollen auch nach drei Jahren totaler Isolation keine Hafterleichterungen gewährt werden. Die nationalistische MHP in der Regierungskoalition besteht auf der Hinrichtung Öcalans. Trotz Kritik von der EU wurde bei einer Strafrechtsreform im vergangenen Jahr die Todesstrafe gegen »terroristische« Gefangene wie Öcalan ausdrücklich beibehalten. Dazu Cemil Bayik, Mitglied im PKK-Präsidialrat und langjähriger Weggefährte von Öcalan: »(Die Türkei) will mit der Todesstrafe das kurdische Volk unter Druck setzen. Solange die Kurden nicht aufgeben, sollen sie durch die drohende Hinrichtung von Öcalan daran erinnert werden, dass die Türkei entschlossen ist, ihre Geschichte und ihren Kampf niederzumachen.« Bisher wurden in der Geschichte der kurdischen Aufstände alle Anführer öffentlich gehängt. Diese Rechnung aber, so Bayik, werde nicht aufgehen: »Weder sind die Kurden so wie früher, noch ist es die Welt.« Doch unzugänglich, wie ein Fels in der Brandu...

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