Streit wegen Schweigeminute

Verhandlung über Kündigung von Metin Serefoglu

  • Martin Grooskal
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

Weil der 41-jährige Lüdenscheider Metin Serefoglu die Teilnahme an einer Schweigeminute anlässlich des 11. Septembers verweigerte, kündigte ihm die Firma Kostal fristlos. Der erste Kammertermin des sich anschließenden Rechtsstreits endete zunächst ohne Ergebnis.

Nicht nur die Taleban seien von Amerika finanziert worden, hatte Serefoglu seine Weigerung begründet, am 13. September an einer Schweigeminute für die Opfer der Anschlagserie in den USA teilzunehmen. Es sei gut, dass die USA einmal ihre politischen Fehler spürten. Allerdings sei es traurig, dass darunter nun Bürger der USA leiden müssten. Die Betriebsleitung sah in den Äußerungen einen »Verstoß gegen den Betriebsfrieden« und kündigte fristlos.
Serefoglu zog daraufhin vor Gericht. Bei einer ersten Güteverhandlung im November 2001 konnte keine Einigung erzielt werden, und auch die Ergebnisse der ersten Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Iserlohn waren nach knapp neunzigminütiger und zum Teil recht scharf geführten Erörterung mager.
Zwar hat das Gericht von einer rechtlichen Würdigung abgesehen, um eine einvernehmliche Lösung des Streits nicht zu gefährden. Allerdings konnten sich die Richter des Eindrucks nicht erwehren, dass die Chancen für eine - von Serefoglu geforderte - Fortführung des Arbeitsverhältnisses sehr gering seien. Eine Wiedereingliederung des Kollegen, so das Gericht, sei angesichts der Situation im Betrieb kaum vorstellbar. Deshalb, und weil das Gericht einer zeit- und geldaufwändige Beweisnahme aus dem Wege gehen wollte, legten die Iserlohner Richter erneut ein Vergleichsangebot auf den Tisch.

Noch kein Vergleich erreicht
Das Echo der Prozessvertreter auf den Vorschlag, die fristlose in eine ordentliche Kündigung umzuwandeln und darüber hinaus eine Abfindung in Höhe von 30000 Euro an Serefoglu zu zahlen, war zwar positiv. Allerdings konnten Einzelheiten nicht vereinbart werden. So blieb offen, ob die Firma Kostal an Serefoglu auch den ausstehenden Lohn für die Dauer der Kündigungsfrist zahlen müsse. Bislang lehnt das Unternehmen dies ab. In naher Zukunft muss aber eine Einigung erzielt werden, anderenfalls kündigte das Arbeitsgericht an, dass es in die Beweisaufnahme eintreten werde.
Während der Verhandlung standen vor allem zwei Punkte zur Debatte: Hatte der Betriebsrat der Kündigung ordnungsgemäß, also mit einer regelgerechten Anhörung, zugestimmt? War es, wie vom Unternehmen behauptet, tatsächlich zu Störungen des Betriebsfriedens gekommen? Zum ersten Problem kristallisierte sich recht schnell die Position des Arbeitsgerichts heraus, das dem Arbeitgeber einen »Vertrauensschutz« zusprach.

Rechtmäßige Kündigung? Experte zweifelt
Hatte die Äußerung Serefoglus aber tatsächlich den Betriebsfrieden gestört? In dieser Frage maß das Gericht der Einschätzung von Wolfgang Däubler große Bedeutung zu. Als einer der führenden Arbeitsrechtler hatte dieser in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kündigung erhoben. Däubler hatte gegenüber der Zeitung erklärt, dass »selbst wenn die Schilderungen der Arbeitgeber zutreffen«, dies »nicht für eine fristlose Kündigung« ausreiche. Außenseitermeinungen, wie sie Serefoglu vorgeworfen werden, fehle der betriebliche Bezug. Auch verletze ein Arbeitnehmer nicht seine vertraglichen Pflichten, wenn er nicht an einer Gedenkminute teilnehme. Wer Politik in den Betrieb hineintrage, müsse sich nicht wundern, auch Ansichten zu hören, die ihm nicht gefallen.
Auch der Anwalt von Serefoglu, Ingo Theissen, machte darauf aufmerksam, dass es zunächst Arbeitgeber und Betriebsrat waren, die durch die Ausrufung der Schweigeminuten die betrieblichen Diskussionen »politisiert« hätten. Erst danach sei es zum innerbetrieblichen Eklat auch zwischen den Kollegen gekommen. Insofern, so Theissen, entlarve sich das Verhalten des Arbeitgebers als Versuch, eine politisch unliebsame Meinung aus der betrieblichen Öffentlichkeit auszugrenzen.
Gewerkschaftsvertreter machten am Rande des Verfahrens darauf aufmerksam, dass kein Geldbetrag das Serefoglu und dessen Familie Zugefügte wieder gut machen könnte. Allerdings habe der Rechtsstreit die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf wesentliche Fragen - wie die Rolle der Betriebsräte bei Kündigungen oder das Problem der politischen Äußerung im Betrieb - lenken können.
In Gewerkschaftskreisen hatte der Vorfall zuletzt für deutliche Missstimmung gesorgt, nachdem der Arbeitskreis gegen Rassismus und Rechtsextremismus des ver.di-Bezirks Nordrhein-Westfalen (Süd) vor den Kostal-Werkstoren in Lüdenscheid eine Demonstration organisiert hatte. Der Betriebsratsvorsitzende der Firma, Rainer Schmolke, hatte sich zu Unrecht kritisiert gefühlt und ver....

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