Radio Multikulti droht das Aus

Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) will in Finanznot einen Sender einsparen

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Lächeln der RBB-Intendantin Dagmar Reim beim Anschneiden der Torte zum 5-jährigen Geburtstag des RBB am Wochenende galt wohl nur den Kameras. Rund 54 Millionen Euro fehlen dem RBB in der Gebührenperiode von 2009 bis 2012. Als fast sicher gilt inzwischen, dass ein Hörfunkprogramm des RBB geschlossen werden soll.

Der RBB habe Einsparungen bis zuletzt vor allem in der Verwaltung vorgenommen, »das schaffen wir jetzt nicht mehr«, sagte gestern Unternehmenssprecher Ralph Kotsch. Programmbestandteile würden wegfallen, »außer es schenkt uns jemand 54 Millionen.« Die Alternative, überall etwas zu sparen, schloss Kotsch aus: »Wir wollen nicht mit dem Rasenmäher vorgehen und allen etwas wegnehmen«, sagte er. Das Finanzproblem des RBB rührt aus allzu vielen Befreiungen von der Rundfunkgebühr in Berlin her. Vor allem ALG-II-BezieherInnen sind von dieser Gebühr befreit. Bei der Verteilung der Finanzmittel würden diese allerdings nicht berücksichtigt, kritisierte Kotsch.

Ein Vorstoß der RBB-Intendantin Dagmar Reim bei ihren ARD-Kollegen, den Verteilungsschlüssel der Finanzmittel zu ändern und für den RBB mehr Geld rauszuschlagen, stieß jedoch auf taube Ohren. »Die reichen Sender werden immer reicher, die armen immer ärmer«, kritisierte Kotsch das Verfahren.

Intern werde noch diskutiert, welches Programm es treffen werde, verlautete aus dem RBB. Hinter den Kulissen rumort es bereits gewaltig. Ein »Wackelkandidat« sei Radio Multikulti immer, sagte Jürgen Schäfer, Freienvertreter beim RBB. Multikulti ist das kleinste Programm der Senderfamilie und schneidet bei der für die Werbeeinnahmen wichtigen Mediaanalyse regelmäßig ausgesprochen schlecht ab. Dort würden allerdings hauptsächlich deutsche MediennutzerInnen befragt, kritisiert Schäfer die Methodik. Als der neue Hörfunkdirektor des RBB, Christoph Singelnstein, Radio Multikulti Anfang des Monats besuchte, habe dieser keine Garantie für das Programm übernehmen wollen, so Schäfer.

Eine mögliche Schließung von Multikulti betrachtet die Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales Heidi Knake-Werner (LINKE) mit Sorge. »Das Aus für Multikulti wäre ein riesiger Verlust für die Stadt und ein großer Imageschaden für den RBB«, sagte sie.

Von den Grünen kam umgehend harscher Protest. Es dürfe keine »Ausländer-raus«-Programmpolitik im RBB« geben. Alice Ströver und Bilkay Öney, medien- bzw. migrationspolitische Sprecherin, lobten, der Beitrag dieses Programms zur Integration sei von »unschätzbarem Wert«. Dies gelte vor allem »wegen der fremdsprachigen Programme, mit denen Migranten in den gängigsten Sprachen erreicht, informiert, gebildet, unterhalten und an das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks herangeführt« würden. Der Regierende Bürgermeister solle sich endlich aktiv für ein neues Gebührenmodell einsetzen.

Ob die heißen Rhythmen von Multikulti auf dem Karneval der Kulturen am Wochenende nun in einem kalten Erwachen für die Beschäftigten und HörerInnen des Programms enden, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.

Radio Multikulti sendet in Berlin analog auf 96,3 MHz von 6 bis 17 Uhr auf Deutsch, von 17 bis 22 Uhr laufen fremdsprachige Sendungen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal