Der »rote Doktor« von Lehnin

Jüngst wurde in Berlin ein Stolperstein für Dr. Johannes Kreiselmaier ins haupstädtische Pflaster eingelassen, vor dem ehemaligen Wohnhaus des Arztes, der 1944 von den Nazis ermordet worden ist. Aus diesem Anlass waren dessen Tochter Dr. Susanne Riveles sowie weitere Familienangehörige aus den USA und Argentinien an die Spree gereist. Es war eine bewegende Zeremonie, die auch nicht durch einen im Nachbarhaus wohnenden Bürger entweiht werden konnte, der mit Rufen und Lärmen stören wollte. Johannes Kreiselmaier war Mitglied des Widerstandskreises um Anton Saefkow, Franz Jacob und Bernhard Bästlein. Seine Tochter studierte und lehrte viele Jahre an der renommierten »schwarzen« Howard University in Washington, DC. und lebt heute in Baltimore, Maryland. Mit der Soziologin sprach Karlen Vesper.

ND: Welche Erinnerungen haben Sie an Ihren Vater, der Ihnen im Alter von sechs Jahren von den Nazis geraubt worden ist – hingerichtet am 27. November 1944?
Riveles: Ich erinnere mich, dass er mich sehr geliebt hat. Ich war die Jüngste, hatte noch drei ältere Geschwister. Leider war mir nicht viel Zeit des Beisammenseins mit dem Vater beschieden, denn ich verbrachte meine frühen Kinderjahre in Lehnin, wo ich geboren worden bin, bei meinem Kindermädchen, nachdem meine Eltern 1938 nach Berlin übergesiedelt sind.

Warum übersiedelten sie?
Mein Vater hatte viele jüdische und kommunistische Freunde. Lehnin war ein kleines »Marktfleckchen«. Mein Vater war als »der rote Doktor« bekannt. Das passte vielen nicht. Berlin war anonymer.

Wie haben sich Ihre Eltern kennengelernt? Die Mutter aus einer jüdischen Familie und der Vater aus einer protestantischen.
Im Zisterzienserkloster von Lehnin, als meine Mutter meinen Großvater, Alexander Petsch...