Umgang mit der Entwürdigung
Erwerbsloseninitiativen organisieren Beratung vor Arbeitsagentur Mitte
Vor dem Eingangsbereich steht ein großer Tisch mit Informationsmaterialien. Vor dem Jobcenter Mitte in der Kochstraße begrüßten gestern freundliche Menschen die ankommenden Erwerbslosen – und boten ihnen Beratung an. Dabei handelte es sich aber nicht um einen neuen Service des Jobcenters: Die Aktion wurde vielmehr von der AG Soziales Berlin im Sozialforum, dem Aktionsbündnis Sozialproteste und dem Erwerbslosenausschuss von ver.di organisiert.
»Es geht uns darum, die Erwerbslosen durch die unabhängige Beratung zu unterstützen«, erklärte Rainer Wahls vom Aktionsbündnis Sozialproteste den Hintergrund der Aktion. Er verwies auf ähnliche Aktionen in Köln, Göttingen und Nürnberg.
»Das unabhängige Beratungsangebot soll dazu beitragen, dass Erwerbslose besser als bisher mit der allzu oft entwürdigenden Situation umzugehen lernen und sich gegen fehlerhafte Bescheinigungen besser zur Wehr setzen können«, betonte der Sozialaktivist und Politikprofessor Peter Grottian, der vor dem Jobcenter eine kurze Rede hielt.
Rainer Wahls zeigte sich mit der Resonanz zufrieden. Der Service der vier unabhängigen Berater sei bei den Erwerbslosen gut angenommen worden. Kritik äußerte Wahls am Berliner Landeskriminalamt, weil es das Aufstellen eines Informationstisches untersagen wollte. »Das hätte unsere ganze Aktion infrage gestellt«, betonte Wahls. In letzter Minute habe das zuständige Bezirksamt dann die Aufstellung des Tisches ermöglicht.
Roland Klautke von der AG Soziales Berlin monierte auch die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Jobcenterleiters Ulrich Wilken. Der habe noch bei einer Protestaktion am 24. April vor Medienvertretern erklärt, einen Antrag auf eine unabhängige Beratung wohlwollend zu prüfen. Doch mit dem Verweis auf die Neutralitätspflicht des Jobcenters wurde der Aufbau eines Beratungstisches in der Behörde abgelehnt. Dennoch sprach Klautke von einem Teilerfolg der Aktion: »Zumindest konnte ein Beratungstisch vor der Arbeitsagentur aufgebaut werden. Und einzelne unabhängige Berater konnten sich in die Warteschlange der Erwerbslosen einreihen, um Betroffene auf Wunsch zu ihrem jeweiligen Sachbearbeiter zu begleiten.«
Am 16. Juni wollen die Erwerbslosen wieder auf die Straße gehen. Parallel zu der Expertenanhörung im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales zur Weiterentwicklung des ALG II ist ab 11 Uhr am Brandenburger Tor eine Demonstration unter dem Motto »Von Arbeit muss man leben können und ohne auch!« angemeldet.
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