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Faire Beschaffung statt teuren Geizes

Berliner Entwicklungspolitiker plädieren für zweiten Anlauf beim Vergabegesetz für Landesaufträge

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 2 Min.

Evrim Baba und Frank Jahnke sind sich einig: Die rot-rote Koalition in Berlin muss im zweiten Anlauf die Chance nutzen, das Berliner Vergabegesetz auf faire, ökologische und soziale Kriterien auszurichten – und es europarechtssicher zu machen. Dies fordern die entwicklungspolitische Sprecherin der LINKEN und ihr Gegenstück auf Seiten der SPD unisono. Schließlich wurde die letzte Novellierung von Ende März wenige Tage später indirekt vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gekippt: Damals stufte der EuGH das niedersächsische Vergabegesetz als mit EU-Recht unvereinbar ein, weil die darin enthaltene »Tariftreueregelung« der EU-Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern widerspräche. Da auch in der Berliner Novelle der ortsübliche Tariflohn als Vergabebedingung festgeschrieben wurde, macht das EuGH-Urteil auch das Berliner Vergabegesetz zur Makulatur. Der rot-rote Senat kommt um eine Neufassung nicht herum.

Wie eine Solche aussehen könnte, war am Mittwochabend Thema beim 12. Berliner Forum Entwicklungspolitik im Haus der Demokratie. Einmal jährlich lädt der Berliner Entwicklungspolitische Ratschlag (BER), das Landesnetzwerk der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen, sämtliche Parteien des Abgeordnetenhauses zur Diskussion über ein Thema mit entwicklungspolitischer Relevanz – 2008 die Öffentliche Beschaffung in Berlin, die ein Volumen von rund 5 Milliarden Euro umfasst. Negativschlagzeilen machte Friedrichshain-Kreuzberg: Bei der Neubepflasterung des Oranienplatzes 2005 wurden Natursteine aus Indien eingesetzt, die höchstwahrscheinlich von Kindern hergestellt wurden. Der Bezirk war darüber nicht informiert, hatte aber vorab auch keine Überprüfung daraufhin angestellt, denn das alte Vergabegesetz sieht nicht einmal die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation verpflichtend vor, die unter anderem Kinderarbeit verbieten.

Das fehlende grundsätzliche Verbot von Kinderarbeit auch in der Novelle sei ein Armutszeugnis für Rot-Rot, kritisierte der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Oliver Schruoffenegger. Im Süden verläuft die Diskussion über Kinderarbeit differenzierter, Kinder fordern flexiblere Schulzeiten und bessere Arbeitsbedingungen, verweisen aber häufig auf den unverzichtbaren Beitrag ihrer Arbeit zum Familieneinkommen.

Einig sind sich Rot-Rot und die Grünen auf der entwicklungspolitischen Ebene darin, dass die kommende Novelle den vom BER geforderten Prinzipien fair, ökologisch und sozial folgen sollte. Widerspruch kommt hierzu nur von der FDP, die ein Vergabegesetz für überflüssig hält, und vermutlich von der CDU, die die Einladung des BER wieder einmal ausschlug.

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