Ästhetik und Politik

Warum sechs Siedlungen Weltkulturerbe wurden

  • Andreas Heinz
  • Lesedauer: 2 Min.
Gartenstadt Falkenberg in Treptow-Köpenick
Gartenstadt Falkenberg in Treptow-Köpenick

Strahlend gratulierten sich die Vertreter des Welterbes in angemessenem Ambiente. Nach der Ernennung von sechs Berliner Wohnsiedlungen zum UNESCO-Weltkulturerbe kam die Delegation gestern im Bauhaus-Archiv in Tiergarten zusammen, um über die Gründe der Aufnahme in die Erbeliste zu berichten.

Senatsbaudirektorin Regula Lüscher und Landeskonservator Jörg Haspel waren sich einig: »Voraussetzung für die Bewerbung war die kollektive Anstrengung aller Beteiligten – vom Landesdenkmalamt bis zu den Eigentümern.«

Warum die Wahl der UNESCO als internationale Kulturabteilung der Vereinten Nationen gerade auf die sechs Siedlungen fiel, erklärte der Landeskonservator: »Entscheidend war, dass dieser Gebäudetypus als Beispiel für die europäische Moderne im 20. Jahrhundert steht.« Das komme hier besonders gut zur Geltung. »Die Siedlungen sind exemplarisch für das Umdenken in Städtebau und Architektur«, berichtete Haspel weiter. Das sei praktizierte Sozialreform gewesen. Raus aus den Mietskasernen, im Grünen leben und trotzdem in der Großstadt wohnen. Die Ensembles entstanden zwischen 1913 und 1934. Ästhetische Vorstellungen verbanden sich mit den politischen Ideen der Linken. Auch deshalb hätten sich die Weltkulturexperten der UNO für die Siedlungen entschieden. Nie zuvor seien Wohnsiedlungen der Moderne als Welterbe vorgeschlagen worden, sagte Haspel. Da habe Berlin eine Lücke entdeckt. »Das 19. und 20. Jahrhundert ist auf der Welterbeliste so gut wie nicht vertreten. Das hat uns Mut gemacht, vor zwei Jahren den Antrag zu stellen.«

Die Bewerbung war von den Eigentümern der sechs Siedlungen unterstützt worden. Dazu hatten sich die Immobilienunternehmen Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 (Siedlung Schillerpark in Wedding und Gartenstadt Falkenberg), Deutsche Wohnen Gruppe (Hufeisensiedlung Britz, Ringsiedlung Siemensstadt, Weiße Stadt Reinickendorf) und Pirelli Real Estate (Wohnstadt Carl Legien in Prenzlauer Berg) zur »Initiative Welterbe« zusammengeschlossen. Die Vertreter der Unternehmen versicherten: »Der Titel ist kein Grund für Mieterhöhungen.« Die insgesamt rund 11 000 Bewohner der Siedlungen sollen vielmehr in die Planung für künftige Pflege und Management der Gebäude einbezogen werden. Auch eine sozial verträgliche Vermarktung müsse überlegt werden. »Wir wollen auch nicht, dass Touristen durch die Gärten trampeln.«

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