Das offene Geheimnis der »Goldspur«
35 Medaillen für das deutsche Team: über 74-prozentiger Anteil aus dem Osten
Gastgeber nutzte Heimvorteil
Waren in Nagano 15 Länder am Goldsegen beteiligt, so waren es diesmal 19. Erwartungsgemäß steigerte sich Gastgeber USA enorm. Die Gastgeber nutzten den Heimvorteil konsequent aus und waren mit 10 Gold-, 12 Silber- und 11 Bronzemedaillen so erfolgreich wie noch nie. Von 13 Medaillen 1998 (6 - 3 - 4) auf nunmehr 34. Damit rückte das US-Team vom fünften Rang (1998) auf den dritten Platz vor.
Unverändert geblieben ist die Wintersport-Dominanz eines Quintetts, das Deutschland, Norwegen, die USA, Russland und Kanada bilden. Das war auch schon vor vier Jahren so. Zum großen Verlierer wurde diesmal allerdings Russland, das erstmals seit der Olympia-Premiere der damaligen UdSSR 1956 nicht zu den besten drei Nationen gehört.
An den 35 deutschen Medaillengewinnen haben 26 Athleten Anteil, die aus Berlin, Thüringen oder Sachsen kommen. Das macht einen Anteil von über 74 Prozent aus. Eine besondere »Goldspur« zeichneten die Olympioniken aus Thüringen. 17 Medaillengewinne gehen auf ihr Konto! »Wir waren auf die Minute topfit«, erklärt Helge Greiner, Leiter des Oberhofer Sportgymnasiums, die Erfolgsstory. Die Olympiasieger-Ehrentafel Nummer 26 in seiner Schule gehört dem Skispringer Stephan Hocke. Der 18-Jährige ist der erste Abiturient, der noch während seiner Schulzeit den Olymp erklettert hat.
Auskunft eines Hochspringers
Rolf Beilschmidt, einst renommierter DDR-Hochspringer, nach der Wende zunächst Leiter des Olympiastützpunktes in Thüringen und jetzt Hauptgeschäftsführer des Thüringer Landessportbundes, war in Salt Lake City nicht nur als Chef des »Haus Thüringen« ein gefragter Mann: »Viele der Besucher unseres Hauses«, so schilderte er, »haben sich erst einmal erklären lassen, wo den Thüringen überhaupt liegt. Aber die meist gestellte Frage war die nach dem "Geheimnis" unseres Erfolges. Meine Antwort: In Thüringen wurde nach der Wende auch unter Sparzwängen und Abwicklungen an der Sportbasis alles nur Denkbare getan, um so viel wie möglich vom Sportfördersystem der DDR zu bewahren. Das gilt für die Sportschulen ebenso wie für die Nachwuchsleistungszentren. Nicht alles war möglich, aber was möglich war, wurde getan.«
Bernd Neudert, Chef des Olympiastützpunktes Thüringen, hob das »Gesamtpaket Sport und Sportförderung« hervor: »Wir konzentrieren uns auf die traditionellen Sportarten.« Die Trainer in Oberhof und Erfurt wüssten aus DDR-Erfahrung, wie Leistungssport funktioniert. Die Strukturen aus Vereinen, Olympiastützpunkt, Bundesleistungszentrum, Thüringer Sporthilfe und Sportfördergruppe der Bundeswehr stimmen. Hinzu kommen seit 1998 spezielle olympische Förderkreise von Wirtschaft, Sport und Politik. Ein neues Programm »Perspektivkader« soll verhindern, dass hoffnungsvolle Nachwuchssportler verloren gehen.
Ein typisches »Thüringer Beispiel« ist die aus Großbreitenbach stammende Olympiasiegerin Andrea Henkel vom WSV Oberhof 05. Die heute 24-jährige Biathletin begann mit elf Jahren mit dem Biathlon. Zwei Jahre später wechselte sie an die damalige KJS in Oberhof - und stieg nun bei ihrem Olympia-Debüt als zweifache Goldmedaillengewinnerin auf!
Zulauf bei den Vereinen
Nicht zuletzt: Nirgendwo anders auf der Welt als in Oberhof finden sich so viele hochkarätige Winter-Sportstätten auf einem Fleck. Die Schanzen im Kanzlersgrund stehen in unmittelbarer Nachbarschaft von Skistrecken und Biathlon-Stadion am Grenzadler sowie Rodel- und Bobbahn am Wadeberg. Hinzu kommt die neue Eishalle am Erfurter Steigerwald.
Wolfgang Filbrich, Vater des Staffel-Olympiadritten im Skilanglauf, Jens Filbrich, und Olympiastützpunkt-Chef in Oberhof, strahlte nicht nur ob des Medaillengewinns des 22-jährigen Filius, dessen Mutter Sigrun Krause vor 26 Jahren mit der DDR-Langlauf-Staffel ebenfalls Olympia-Bronze gewonnen hatte. »Die Erfolge von Salt Lake City werden besonders den Nachwuchs in Thüringen weiter motivieren«, hofft er, »und auch einen Zulauf bei den Biathlon- und Skivereinen auslösen.«
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