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Geisterwelten und Landarbeit

Eine Ausstellung zu Sardinien mit Lesungen und Filmen im Museum Europäischer Kulturen

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.
»Ulysses« zeigt eine sardische Festtagsmaske
»Ulysses« zeigt eine sardische Festtagsmaske

Einen ganzen Monat lang dominieren Ansichten auf Sardinien das Museum Europäischer Kulturen. Im ersten Stock des Bruno-Paul-Baus in Dahlem werden bis Ende August fotografische Blicke von drinnen und draußen auf die vom Tourismus noch nicht überrannte, zweitgrößte italienische Insel vorgestellt. Die Ausstellung wird durch Vorträge, Filmabende und Lesungen ergänzt. Und wer vollkommen fasziniert ist von Sardinien und daher einen stärkeren Bezug sucht, kann am Investorenseminar am 28. August im nordsardischen Örtchen Villanova Monteleone teilnehmen. Infos sind im Museum erhältlich.

Villanova Monteleone ist nicht von ungefähr ausgewählt: Der Ort beherbergt ein Museum sardischer Fotografie, dessen Leiter Salvatore Ligios als Fotograf mit durchaus bemerkenswerten Arbeiten an der Ausstellung teilnimmt. Er zeigt Landleute, wie sie sich zu Feiertagen mit archaischen Tiermasken schmücken. Ziegen-, Pferde- und Schweineköpfe sitzen dann auf ihren mal nackten, mal mit Federn bedeckten Schultern. Am meisten nehmen aber die Aufnahmen ein, in denen die Männer die Masken nach oben geschoben haben und unter ihnen ihre Gesichter hervorschauen. Durch diese Doppelköpfigkeit verbinden sie Geisterwelten mit dem Hier und Jetzt.

Ähnlich dramatisch wie Ligios inszeniert der Turiner Fotograf Massimo Mastrorillo Sardinien. Mastrorillo hat allerdings nicht die Menschen, sondern die Landschaft zum Objekt auserkoren. Vor allem abendliche Landschaften, in denen einzelne Lichtfinger Zweige und Äste, Rindenteile oder Felsbrocken aus dem Dunkel hervorholen, haben es ihm angetan. So entstehen Aufnahmen geheimnisvoller, fast spukhafter ländlicher Gegenden.

Ganz ins Licht hingegen rückt Herlinde Koelbl Land und Leute. Die renommierte Münchner Porträtfotografin hatte 1995/96 ausgedehnte Reportagereisen auf Sardinien unternommen. Sie traf auf Bauern und Metzger bei der Arbeit, aber auch auf ausgelassen feiernde, mit Folkloregewändern angetane Insulaner. Bemerkenswert ihre Serie über einen Hirten. Zuerst steht er in sich ruhend vor der Kamera. Dann macht er sich an seinen in Reih und Glied aufgestellten Ziegen zu schaffen, um sie zu melken. Und schließlich sieht man ihn sein Gesicht in eine Schüssel Wasser halten. Koelbl hat ein Epos auf die einfache, ihren Akteur offenbar zufrieden stellende Arbeit geschaffen.

Ein ähnliches Interesse an der arbeitenden Bevölkerung hatte schon ein gutes halbes Jahrhundert vor Koelbl ihr Kollege Bernd Lohse. Von dem Dresdner Reportagefotografen stammen kleinformatige, interessant organisierte Bilder. Reisig tragende Frauen scheinen aufgrund ihrer durch den Wind gebauschten Gewänder geradezu zu fliegen, während die Menschen, die Mehlsäcke schleppen, von deren Gewicht in die Erde gedrückt zu werden drohen. Aus seiner völkerkundlichen Sammlung steuert das Museum noch hölzerne Haushaltsgegenstände aus verschiedenen Epochen bei.

Ein früher Berliner Zugriff auf Sardinien ist durch eine Bildtafel dokumentiert, die die von Rudolf Virchow gegründete Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte angefertigt hatte. »La Sardegna a Berlino« liefert vielschichtige Einblicke in das Leben auf der Insel, die nicht nur, aber auch der Urlaubsvorbereitung dienen können.

Bis 31.8., Di.-Fr. 10-18 Uhr, Sa.-So. 11-18 Uhr, Museum Europäischer Kulturen, Arnimallee 25, Dahlem

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