Marokko setzt auf die Öl-Karte

Heute Entscheidung über UNO-Mandat

Der UNO-Sicherheitsrat entscheidet heute über eine Verlängerung des Mandats der UNO-Mission für Westsahara (MINURSO). Die Lösung des Konflikts zwischen der Besatzungsmacht Marokko und der Demokratischen Arabischen Republik Westsahara verzögert sich immer wieder. Hintergrund sind u. a. vermutete reiche Öl-und Gasvorkommen vor der Küste.

Die marokkanische Regierung, so wurde unlängst bekannt, schloss im Oktober vorigen Jahres mit der marokkanischen Niederlassung von Kerr-McKee, einem Energie- und Chemiekonzern mit Sitz in Oklahoma (USA) und dem französischen Energiemulti TotalFinaElf einen Konzessionsvertrag ab. Danach dürfen beide Unternehmen im Laufe von 12 Monaten vor der Atlantikküste zwischen dem südmarokkanischen Ifni und dem sahrauischen Ad-Dakhla nach Öl suchen. Bereits im März 1998 hatte Marokko einen Vertrag über Erdöl-Probebohrungen mit der australischen Roc Oil im selben Küstengebiet abgeschlossen.
Der USA-Konzern Exxon hatte dort bereits 1969 Öl entdeckt. Der Vorstoß von Exxon war aber schon damals mit dem leidigen Problem belastet, dass die prospektierten Küstengewässer einem Gebiet zugehörten, das die UNO bereits 1965 auf die Liste der zu entkolonisierenden Territorien gesetzt hatte. An diesem Sachverhalt hat sich nichts Wesentliches verändert, außer dass die alte Kolonialmacht Spanien 1975 von der neuen, dem Königreich Marokko, abgelöst worden war. Noch immer verweigert das Königreich Marokko die Entkolonisierung - und bietet etwa 250000 qkm sahrauischer Küstengewässer kapitalistischen Konzernen zur Öl-Suche an.
Bisher hatte man in Marokko wenig Glück mit dem schwarzen Gold: Im August 2000 kündigte König Mohamed VI die Entdeckung riesiger Ölfelder in der Region von Talsint, am Rande des Hohen Atlas im Osten des Landes, an, was sich allerdings kurze Zeit später als riesiger Flopp herausstellte. Da wären die vermuteten riesigen Ölvorkommen vor der eigenen, aber vor allem auch vor der Küste der besetzten Westsahara schon ein lukrativer Ausgleich für die Schlappe am Rande des Hohen Atlas. Und schließlich könnten sich die erheblichen »Investitionen« in Krieg und Besatzung der Westsahara endlich rentieren: Das Königreich ist heute hoch verschuldet (geschätzte 18,4 Milliarden US-$ für 2000).
Gerade mit TotalFinaElf hat Rabat sich wohl einen gleich gesinnten Partner beschafft, zumindest, was den Respekt gegenüber den Menschenrechten und den Schutz der Umwelt anbelangt: Während z.B. der US-amerikanische Konkurrent Texaco wegen der massiven Menschenrechtsverletzungen Myanmar, das Burma der Militärjunta, verlassen hat, hält TotalFinaElf den Generälen treu die Stange.
Die Frente POLISARIO, die von der UNO als rechtmäßige Vertretung des sahrauischen Volkes anerkannt ist, hat sich an den Weltsicherheitsrat mit der Forderung gewandt, die Ölprospektionen in den sahrauischen Hoheitsgewässern zu unterbinden. Dieser hat bei der UN-Rechtsabteilung ein Gutachten angefordert, worin festgestellt wird, dass die Ölsuche noch keinen Verstoß gegen das Völkerrecht bedeute, wohl aber die Entnahme und der Verkauf. Ahmed Boukhari, der UN-Vertreter der Frente POLISARIO in New York, meinte, dies wäre so, als ließe man einen Einbrecher solange unbehelligt in einem fremden Haus nach Wertsachen suchen, bis dieser anfinge, diese auch tatsächlich zu stehlen.
Inzwischen werden auch die Risiken von Ölbohrungen für das Ökosystem an der nordwestafrikanischen Atlantikküste thematisiert. Diese Küste ist (noch) eine der fischreichsten der Welt. Ökologische Grenzeffekte, aber vor allem der Zustrom sauerstoffreichen Wassers aus dem Nordatlantik sind die Gründe dafür. Gerade für die Menschen, deren territoriale Lebensmittelerzeugung durch Unabwägbarkeiten wie Dürren, Sandstürme und Heuschreckenkalamitäten bedroht ist, bedeuten die reichen Fischgründe eine Risikoabsicherung in solchen Notzeiten und sind damit ein wesentliches Element ihrer Ernährungssouveränität. Ölbohrungen aber können fatale Folgen für das hochproduktive marine Ökosystem haben und eine andere Nutzung - z.B. die Gewinnung proteinreicher Meerestiere für die menschliche Ernährung - ausschließen.
Der Sicherheitsrat wird sich weiter mit dem Westsaharakonflikt beschäftigen müssen. Mittlerweile liegt der entsprechende Bericht des UNO-Generalssekretärs vor, und am 28. Februar endet das aktuelle UN-Mandat. Ein offensichtlich äußerst frustrierter Generalsekretär benennt vier Optionen: 1. Die Weiterverfolgung der Referendums, wie seit 1991 vereinbart und 1997 neu ausgehandelt. 2. Eine »Rahmenvereinbarung« jenseits eines UN-Dekolonisierungsprozesses, wie er ihn bereits im Bericht vom Juni 2001 (S/ 2001/163) vorgeschlagen hatte. Über diesen »dritten Weg« sollten die Sahrauis mit einer »Autonomielösung« weiterhin dem marokkanischen Regime ausgeliefert bleiben und mit ansehen müssen, zur Minderheit im eigenen Land gemacht zu werden. 3. Eine Teilung des Landes. 4. Den endgültigen Rückzug der UNO aus der Region.
Welcher Option die UNO den Vorzug gibt, ist offen. Kein Wunder: Kürzlich wusste das spanische Magazin »Tiempo de Hoy« von Absprachen zwischen Frankreich, den USA und Marokko über die Offshore-Ausbeutung des schwarzen Goldes vor der nordwestafrikanischen Küste zu berichten, die bereits 1996 getroffen wurden. Die Autorin verweist zugleich auf die engen Beziehungen des USA-Ex-Präsidenten James Baker zur USA-Ölindustrie und stellt somit die Integrität des UNO-Sonderbevollmächtigen für die Westsahara in Frage. Die bisher bekannt gewordenen Fakten widersprechen den Angaben des spanischen Magazins nicht.
Unser Autor ist Herausgeber der Initiativzeits...

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