Neonazis zerstörten Jastram-Relief

Entsetzen nach Schändung von KZ-Denkmälern in Mecklenburg-Vorpommern

  • Werner Bossmann
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Unbekannte haben am Wochenende gleich drei Gedenkstätten in Mecklenburg-Vorpommern schwer beschädigt. Ein Indiz auf die Verbindung zwischen allen drei Taten: Die Vandalen hinterließen abgetrennte Schweineköpfe.

In Wöbbelin, einem Dorf in der Nähe von Ludwigslust, treffen sich jedes Jahr am 2.März mehr als 1000 Menschen, um der Opfer der Todesmärsche aus dem KZ Sachsenhausen sowie der im KZ Wöbbelin gestorbenen Häftlinge zu gedenken. Diese »Internationale Begegnung der Generationen«, mit jungen und alten Teilnehmern aus verschiedenen europäischen Ländern, den USA und Israel, wird dieses Jahr wohl besonders bedrückend werden, meint Edeltraud Schure, Leiterin der Wöbbeliner Mahn- und Gedenkstätten. Das 1960 von Jo Jastram gestaltete Relief ist nahezu zerstört. Die Täter schlugen Köpfe und Arme von den abgebildeten Figuren und sprühten ein rotes Hakenkreuz von über einem Meter Durchmesser auf die Gedenktafel. Unklar ist nun, was mit dem Relief geschehen soll, allein wegen der Farbe, die sich wahrscheinlich nur schwer aus dem porösen Sandstein entfernt lässt. Besonders bestürzt zeigte sich Edeltraud Schure über den Schweinekopf, den die Täter in einer Feuerschale hinterließen. Auf die Stele waren mit roter Farbe die Worte »Jud«, »Lüge« und ein Hakenkreuz gesprüht. »Eine unglaubliche Schande für unser Land. Es nimmt kein Ende mit dem Rechtsextremismus.« Im Mai werden wieder amerikanische Gäste nach Wöbbelin kommen - mit ihren Kindern. »Es scheint, dass vor allem Deutsche Schwierigkeiten haben, ihre Kinder mit der historischen Wahrheit zu konfrontieren«, sagt Edeltraud Schure. Auch der Rostocker Künstler Jo Jastram sei fassungslos. »Er hätte offenbar nie geglaubt, dass er sein eigenes Kunstwerk überleben könnte«. Mehr als 1000 Menschen starben im KZ Wöbbelin, einem Außenlager des KZ Neuengamme, das Ende 1944 errichtet und am 2. Mai 1945 von der amerikanischen Armee befreit wurde. Die Amerikaner ließen die noch vorgefundenen Leichen in der Nähe vom Lager begraben, davon 116 im Theodor-Körner-Park, rund 10 Kilometer vom Lager entfernt, in einer 1938 von den Nazis gebauten Weihestätte um das Grab des 1813 verstorbenen patriotischen Dichters. Die Gedenkstätten in Wöbbelin wurden in den vergangenen Jahren öfter angegriffen, dabei wurden Gedenktafeln umgeworfen und Gräber mit Müll bedeckt. Landrat Rolf Christiansen (SPD) besuchte am Dienstag den Tatort in Wöbbelin, auch er zeigte sich bestürzt. Christiansen versprach, sich dafür einzusetzen, dass ein kreisweiter Trägerverein für die Gedenkstätten gegründet werde. Dabei wolle er auch die Schulen im Kreis einbeziehen. Der jüdische Friedhof in Boizenburg, wie Wöbbelin im Landkreis Ludwigslust gelegen, wurde in der selben Nacht von Vandalen heimgesucht. Auch hier hinterließen die Täter einen Schweinekopf , diesmal auf einem Grabstein, nachdem sie mit Farbe Hakenkreuze an die Pfeiler des Eingangstores und an einen Grabstein gesprüht hatten. Auch im Landkreis Parchim, in Raben Steinfeld, wurde am Montag am Mahnmal »Die Mutter« ein Schweinekopf gefunden. Das Mahnmal, 1975 für die Opfer des Todesmarsches der Häftlinge des KZ Sachsenhausen errichtet, liegt nahe der Autobahn. Die Täter haben sich deshalb wohl nicht getraut, ihre Schmierereien anzubringen. »Die Schweineköpfe sind eine Schande, wie sie bisher noch nicht vorgekommen ist«, sagt Ulrike Mahnke, Landesvorstandsmitglied der Antifa aus Schwerin. »Seit einem Jahr hatten wir hier Ruhe, bis zum vergangenen Wochenende«. Auch der »Friedhof der Opfer des Faschismus in Schwerin« wurde in der Vergangenheit häufig von rechten Vandalen angegriffen, bis ...

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