Tumult im Prozess gegen Feldbefreier

Amtsgericht Gießen verbot Fragen zum Risiko der Gentechnik

  • Jens Herrmann, Gießen
  • Lesedauer: 2 Min.
In Gießen kam es beim zweiten Prozesstag gegen zwei Feldbefreier zu Tumulten. Parallel demonstrierten Gentech-Gegner in der Innenstadt.

Gerhards Würstchenstand inmitten der Gießener Fußgängerzone ist ein belebter Ort. Da bekommt er kaum mit, wofür die Demonstranten vor ihm auf die Straße gehen. Gegen Gentechnik im Essen sei er schon, meint der Mittfünfziger auf Nachfrage. Aber eine gewaltsame Zerstörung des Gen-Gersten-Versuchsfeldes der Universität wie von Umweltaktivisten zu Pfingsten 2006 findet er nicht gut. Ein älteres Pärchen befürwortet die Gentechnik indes rundum. Sie sei doch gut »für die armen Völker, damit diese etwas zu Essen haben« argumentiert es .

Dieses Argument halten die zwei seit vergangenen Dienstag in Gießen für die Zerstörung des Gerstenfeldes angeklagten Feldbefreier Jörg B. und Patrick N. falsch. Durch die Lautsprecheranlage ihres so-larbetriebenen Aktionsmobils klagen sie die Praxis von Chemiekonzern BASF und dem Agrokonzern Monsanto an, die Länder des Südens in Abhängigkeiten von teurem patentiertem Saatgut zu bringen.

Solche Fragen zur Gentechnik wollten die Feldbefreier vor Gericht thematisieren, stießen aber auf einen kompromisslosen Richter Frank Oehm. Es gehe nur um die »einfachen Sachverhalte« von Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung, so Oehm. Fragen zu einem »rechtfertigenden Notstand«, auf den die Angeklagten und ihr Anwalt sich berufen, ließ er nicht zu. Auch beim Publikum stieß die Haltung auf Empörung und heftiges Kopfschütteln. Letzteres ahndete Oehm als »ungebührlich« mit einem Rauswurf ähnlich wie beim ersten Prozesstag, als eine Zuschauerin sich den Mund zuhielt.

Weil Oehm sein Handeln damit begründete, er lasse sich den Prozess nicht zu einer »politischen Bühne machen«, stellten die Angeklagten einen Befangenheitsantrag. Den lehnte das Gericht ab.

Dass der Prozess kein ganz gewöhnlicher ist, machen ein Großaufgebot der Polizei im und um das Amtsgericht sowie erhöhte Sicherheitsmaßnahmen beim Einlass deutlich. Am Freitag eskalierte dennoch die Situation: Als Oehm während der Zeugenbefragung des Versuchsbeteiligten Gregor Langen wieder Fragen zur Sicherheit des Genversuchs unterband, verwies er eine Frau, die dies kritisierte, des Saales. Aber plötzlich schoben sich Zuschauerbänke ineinander, und es gelang den Justizhelfern nur nach langem Gerangel unter Tumult, sie aus dem Saal zu schleppen. Langen hingegen zeigte auffallend lückenhaftes Wissen über Vegetationszeiten der Gerste.

Unterdessen verlas Jörg B. zwei Beweisanträge wegen Falschaussagen eines Staatsschutz-Beamten vom Dienstag, auch wenn mit einer Strafverfolgung durch die Staatsanwältin Ute Sehlbach-Schellenberg kaum zu rechnen sei. Die spekulierte laut, dass die Eskalation zuvor wohl kaum ein Zufall war.

Am kommenden Donnerstag wird der Prozess fortgesetzt.

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