Im Knast weniger Hoffnung

Mehr Häftlinge sitzen bis zum letzten Tag / LINKE fordert modernes Resozialisierungsgesetz

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit der vorzeitigen Entlassung von Strafgegangenen aus dem Gefängnis sind die Justizbehörden nicht mehr so schnell bei der Hand wie in früheren Jahren. Mehr als doppelt so viele Häftlinge wie im Jahr 2000 müssen ihre Strafe bis auf den letzten Tag absitzen. Die LINKE fordert mehr Mittel für die Resozialisierung.

Wie Justizministerin Beate Blechinger (CDU) auf eine parlamentarische Anfrage mitteilte, kamen im vergangenen Jahr 91,7 Prozent aller Entlassenen in den Genuss der vorzeitigen Entlassung, im Jahr 2000 waren es diesen Angaben zufolge 96,2 Prozent. Demnach hat sich die Zahl der Haftentlassenen, die der Führungsaufsicht nach Strafgesetzbuch unterstellt werden, in den vergangenen acht Jahren mehr als verdoppelt. Unter diese Aufsicht wird gestellt, wer seine Strafe vollständig verbüßte, also nicht vorzeitig entlassen wurde, sagte der Sprecher des Ministeriums ,Thomas Melzer.

Während im zweiten Quartal des laufenden Jahres 495 Entlassene im Land Brandenburg dieser Führungssaufsicht unterlagen, waren es im Jahr 2003 Blechingers Worten zufolge 308 Entlassene und im Jahr 2000 lediglich 195 Entlassene. Die Gesamtzahl der Haftentlassenen lag in diesen Jahren relativ konstant jeweils zwischen 5500 und 5700 Personen.

Auch Jugendliche geraten unter Führungsaufsicht, wenn ihre Strafe nicht zu Bewährung ausgesetzt wurde. Die Zahl der Jugendlichen Haftentlassenen, für die Führungsaufsicht angeordnet werden musste, lag in den vergangen vier Jahren zwischen 57 und 66. Wie Blechinger weiter mitteilte, legen Gerichte die Führungsaufsicht für einen Zeitraum zwischen zwei und fünf Jahren fest.

Sprecher Melzer erklärt diese Entwicklung mit veränderten Maßstäben. Während in den Jahren nach der politischen Wende für DDR-Häftlinge rascher die vorzeitige Entlassung winkte, weil eine möglicherweise unkorrekte Behandlung des Einzelfalls gemutmaßt wurde, sei das inzwischen anders. Heute müssten beispielsweise Mehrfachtäter damit rechnen, dass ihnen die vorzeitige Entlassung nicht angeboten wird.

Im April 2007 wurde das Gesetz zur Führungsaufsicht verändert. Doch besteht laut Ministerin Blechinger Anlass, eine grundlegende Überprüfung der Führungsaufsicht in Angriff zu nehmen. Bis Ende April 2009 sollen ressortübergreifende Arbeitsgruppen »effiziente Standardprozesse und Strukturen der Zusammenarbeit« formulieren. Neben dem Justiz- sollen dabei das Bildungs-, das Innen-, das Sozialministerium sowie die Datenschutzbehörde mitarbeiten. An der Führungsaufsicht beteiligt sind Strafvollzug, Vollstreckungsbehörden, soziale Dienste der Justiz, Führungsaufsichtsstellen, Gerichte und die künftig noch einzurichtenden forensischen Ambulanzen.

Aus Sicht des rechtspolitischen Sprechers der LINKEN-Fraktion Stefan Sarrach sind Ursachen für diesen Anstieg vielschichtiger. Für ihn deuten sie auf Probleme bei der Entlassungsvorbereitung und der Einbeziehung der Bewährungshilfe, also der Sozialen Dienste der Justiz hin. »Das kann nicht befriedigen, deshalb hält DIE LINKE auch an der Forderung nach einem modernen Resozialisierungsgesetz fest.« Die Personal- und Sachmittelausstattung in den Anstalten behindere das Sarrach zufolge noch.

Der Abgeordnete definiert die vorzeitige Haftentlassung als eine Form der Bewährung. Sie sei daher für Strafgefangene Hoffnung und Chance zugleich, sich durch eigene Resozialisierungsbemühungen hierfür zu empfehlen. Allen sonstigen Argumenten des Ministeriums könne er ansonsten folgen.

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