Milliarden für Branchenprimus

Bankversicherer in den Niederlanden erhält staatliche Kapitalinjektion

  • Tobias Müller, Amsterdam
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach einem dramatischen Kursverfall in der vergangenen Woche greift nun auch in den Niederlanden der Staat dem größten Bankversicherer des Landes massiv unter die Arme.

Es war eine ereignisreiche Woche bei der ING-Gruppe: Zunächst einigte man sich vergangenen Sonntag mit dem Finanzministerium und der niederländischen Zentralbank auf eine Kapitalverstärkung von 10 Milliarden Euro. Im Gegenzug erwirbt der Staat Vorzugsaktien mit einer Rendite von 8,5 Prozent. ING, 1991 aus einer Fusion von NMB-Postbank und der Versicherungsgesellschaft Nationale Nederlanden entstanden und mit über 75 Millionen Kunden eine der größten Banken der Welt, macht damit Gebrauch vom Notfallfonds der niederländischen Regierung von insgesamt 20 Milliarden Euro.

Die Anzeichen für die Kapitalinjektion hatten sich verdichtet, nachdem Gerüchte über eine Notlage des Konzerns kursierten. Dadurch unter Druck gesetzt, gab ING kurz vor Börsenschluss bekannt, für das dritte Quartal als Folge der Kreditkrise einen Nettoverlust von 500 Millionen Euro zu erwarten. Im zweiten Quartal hatte das Unternehmen noch 1,9 Milliarden Euro Gewinn verbuchen können. An der Amsterdamer Börse schloss ING letzten Freitag nach einem Verlust von 27 Prozent mit 7,34 Euro. Innerhalb einer Woche sank der Börsenwert des Unternehmens um mehr als ein Drittel auf gut 15 Milliarden Euro. Der Deal mit dem Staat dagegen zeigte umgehende Folgen: Bei Börsenöffnung am Montag schoss der Wert der ING-Anteile in die Höhe und endete schließlich bei einem Zuwachs von 30 Prozent. Damit war der dramatische Einbruch beinahe vollständig wettgemacht.

Nach der Einigung herrschte allenthalben Zuversicht. Der niederländische Finanzminister Wouter Bos (PvdA) wies jeden Vergleich mit dem vor Wochenfrist vollständig verstaatlichten Konkurrenten Fortis von der Hand. »Diese Bank stand kurz vor dem Umfallen. ING dagegen ist ein essenziell gesunder Betrieb mit einem gutem Management.« Die Kapitalverstärkung statte das Unternehmen in der unsicheren Lage der internationalen Finanzmärkte mit einem extra Puffer aus. Auch Nout Wellink, Präsident der niederländischen Zentralbank, bekräftigte, es gehe nicht um die Rettung maroder Betriebe, sondern um die Zukunftsperspektive von gesunden in schweren Zeiten. In einer Mitteilung an ihre Kunden machte auch die ING- Gruppe die »heutigen Marktumstände« für den Schritt verantwortlich. Das Unternehmen sei jedoch »sehr gesund«. Ferner begrüße man die Maßnahme der Regierung zur Stärkung von Vertrauen und Stabilität ins finanzielle System. Michel Tilmant, Vorstandsvorsitzender der ING-Gruppe, wies darauf hin, dass mit Hilfe der Finanzspritze das Kernkapital von 6,5 auf 8 Prozent gesteigert werden könne. Sowohl das Finanzministerium als auch die niederländische Zentralbank bekräftigten, dass es sich um eine vorübergehende Maßnahme handele. »Sobald der Orkan sich gelegt hat, wird der Staat sich zurückziehen«, so Zentralbank-Präsident Nout Wellink.

Vorläufig erhält Den Haag zwei Vertreter im Aufsichtsrat der ING-Gruppe, die bei Übernahmen oder Investitionen von mehr als 25 Prozent des Eigenvermögens ein Vetorecht haben. Zudem gilt für die Unternehmensspitze in 2008 ein Bonusverzicht. Mittwoch ernannte das Finanzministerium schließlich mit Lodewijk de Waal und Pieter Elverding seine beiden Kommissare. Vor allem der ehemalige Gewerkschaftschef de Waal gilt als Garant des Anspruchs, die Interessen der Aktionäre des Unternehmens künftig nicht mehr über die der Arbeitnehmer und Konsumenten zu stellen.

Gelöst sind die Probleme bei ING damit jedoch keineswegs: Nach dem euphorisch begrüßten Anstieg zu Wochenbeginn notierte die Amsterdamer Börse am Donnerstag erneut Verluste.

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