Gute Zeiten für Finanzbetrüger

In Russland nutzen gut organisierte Banden Krisen-Ängste aus

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.
Goldene Zeiten sind für Gauner und Trickbetrüger aller Art angebrochen, seit die Finanzkrise auch in Russland voll zuschlägt.

Abgesehen haben sie es vor allem auf Rentner außerhalb der großen Städte: Menschen, die bereits Opfer von Währungsreformen, Hy-perinflation und Rubelabwertung wurden und jetzt erneut um ihren Notgroschen bangen. Den glaubten viele am besten auf einem »Krisenkonto« aufgehoben, einem Produkt, bei dem angeblich die Sberbank alle Risiken übernimmt. So jedenfalls die frohe Botschaft netter Werber, die sich als Angestellte des Kreditinstituts ausgaben: der staatsnahen Großbank, die als einzige den Finanzcrash im August 1998 unbeschadet überstand. Sie kommen mit unterschriftsreifen Verträgen und nehmen das Geld gleich mit. Etwaige Zweifel zerstreut ein gut gefälschter Dienstausweis der Sberbank.

Staatliche Ermittler fahnden inzwischen auch nach Verkäufern gefälschter Wechsel der Sberbank und billiger Hypotheken-Darlehen, die das renommierte Geldhaus angeblich ebenfalls auf den Markt gebracht hat. In Wahrheit handelt es sich um Blüten, die Betrüger-Banden in Rostow am Don und in Kasan, der Hauptstadt der Teilrepublik Tatarstan, verhökerten.

Über Details berichtete der Staatssender RTR am Sonntagabend zur besten Sendezeit. Auch, weil Präsident Dmitri Medwedjew und Premier Wladimir Putin dringenden Handlungsbedarf sehen. Bei der Generalstaatsanwaltschaft nahm bereits eine Sonderkommission ihre Arbeit auf. Die soll auch ergründen, an welcher Stelle der Pipeline Gelder aus dem Hilfspaket der Regierung für Unternehmen mit Liquiditätsproblemen »fest stecken« wie Medwedjew vor laufender Kamera mit süffisantem Grinsen formulierte. Mehrere große Banken stehen seit letzter Woche dringend im Verdacht, kurzfristige zinslose Überbrückungskredite, wie sie die Notenbank im Auftrag des Staates kürzlich versteigerte, in harte Währung umgerubelt und bei westlichen Kreditinstituten geparkt zu haben.

Dabei sollten sie schnellstens an notleidende Unternehmen weitergereicht werden. Vor allem an Mittelständler, die gegenwärtig nicht einmal mehr ihre Löhne zahlen können. So wie ein kleiner Zulieferer der Ölindustrie aus dem Ural, Der holte sich bei den großen Banken der Region eine Abfuhr nach der anderen, obwohl es nur um ein Darlehen von 300 000 Rubel ( ca. 8600 Euro) ging. Weil ihn dank des Fernsehens inzwischen fast ganz Russland kennt, bleibt ihm der Konkurs wahrscheinlich erspart.

Kriminelle Energien entwickeln auch Firmen, die im Internet für »juristische Dienstleistungen« werben. Bisher auf die Legalisierung von Schwarzarbeitern aus ehemaligen Unionsrepubliken spezialisiert, stellen sie jetzt im Fließbandtakt Schwangerschaftsbescheinigungen für Frauen aus, denen Kündigung droht. Auf echten Kopfbögen, gestempelt und mit Unterschriften echter Ärzte. Lieferung binnen 24 Stunden und für ganze 1500 Rubel (42 Euro). Ein Produkt für die Generation 50 plus, so die telefonische Auskunft, stehe unmittelbar vor der Marktreife.

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