Der Verweigerer

70. Geburtstag von Herbert Achternbusch

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.

Er ist das, was man ein Gesamtkunstwerk nennt. Die dreißig Filme, die zwanzig Stücke, die fünfzig Bücher, die vielen Gemälde – alles ist Baustein einer Lebensart, deren Grundpfeiler Verweigerung und Verachtung sind. Der Dichter: aufreizender als die Dichtung? Deren Wirkung verflog, er blieb – so, wie er immer war. Weil er sich nie vereinnahmen ließ, blieben die Einnahmen übersichtlich. Den Scheck von zwanzigtausend D-Mark, ausgestellt für den Petrarca-Preis, hat er als junger Dichter kurzerhand verbrannt. So wird der Satz, Freiheit habe ihren Preis, zur Erfahrung.

Herbert Achternbusch ist der bekannteste Unbekannte der deutschen Kunst. Die Literatur und das Theater, sagt er, sind satt, »sie haben Achternbusch satt. Aber die kommen schon wieder. Es gibt ja keinen anderen.« Solche Sprüche sind es, die wie freche Vorboten einer ebenso frech behaupteten Unsterblichkeit wirken: Vom einsamen bayrischen Anarchen stammt der Satz, keine Chance zu haben, diese aber unbedingt nutzen zu wollen. Im Film »Servus, Bayern« heißt es: »Diese Gegend hat mich kaputt gemacht, und ich bleibe, bis man ihr das anmerkt.«

Achternbusch, 1938 als unehelicher Sohn eines Zahnarztes und einer Sportlehrerin in jenen »schwarzen Wäldern« geboren, aus denen auch Brecht kam, hat sein Werk aus sich herausgewütet, anfallartig, er hat nichts gezügelt, hat nichts von dem in eine Verständlichkeit gebracht, was ihm Fantasie in die Schrift, in den Ton, ins Bild diktierte. Er konnte nicht anders, als beleidigend, explosiv, im naivsten, bösesten Sinne versponnen zu sein. Aus seiner Erfolglosigkeit erwuchs seine Legende, seine Einsamkeit bestätigt ihn, sein Widerstand gegen Staat, CSU, Verlagswesen und jedwede andere institutionelle Bastion hat seinen Witz begründet, seine verkatert durchgehaltene Randständigkeit, seine vitale Verschrobenheit. Im Film »Der Depp« ließ er Franz Josef Strauß ermorden. Im Streifen »Gespenst« steigt Jesus vom Kreuz, um mit einer Oberin zu schlafen. Jahrelang stritt Achternbusch mit der Bundesregierung – Innenminister Friedrich Zimmermann, von 1982 bis 1989 im Amt, hatte Klage wegen Gotteslästerung erhoben. Spät gewann Achternbusch.

Sein erstes und wohl erfolgreichstes, monologisches Stück – Claus Peymann war es, der ihn durch Beharrlichkeit und dichterliebendes Begehren fürs Theater gewann – hieß »Gust«, ein Mann reflektiert sein Leben, während nebenan die Frau stirbt. Sepp Bierbichler spielte, ein langjähriger Freund, eine verknorrte, verknarzte, verprügelte, versoffene Kameradschaft, männerselig und männerkomisch noch in späterer Unverträglichkeit von einem zum andern.

Achternbusch, längst bayerisches Akademie-Mitglied und bisweilen geehrt, ist trotzdem ungespielt und ungelesen. Es ist, als zolle man Respekt dafür, dass er durchhielt, aber weiß nicht mehr, womit und wofür er durchgehalten hat. Dieser Künstler weiß für sich mit absoluter Gewissheit, dass alles irreal ist, also ist für ihn nicht mehr einzusehen, warum man sich abrackern sollte, um es zu beweisen. Dennoch steht Achternbusch für eine stolze Autonomie, die mit einem kleinen Schuss Größenwahn über das Elend des ungeliebten Lebens hinwegkommt. Den bürgerlichen Anstand hat dieser Mann nur in geringen Maßen eingeübt: Er brächte es nicht übers Herz, seine Wut zu demütigen.

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