Großes Erdgaslager unterm Grunewald

Vorräte lagern in 850 Meter Tiefe / Riesenspeicher gleicht Versorgungsschwankungen aus

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Speicherzentrale im Grunewald.
Die Speicherzentrale im Grunewald.

Ein leichtes Sirren verrät – durch das 60 Centimeter dicke Stahlrohr mitten im Grunewald strömt Erdgas, um die Stuben der Berliner zu erwärmen. »Im Sommer fließt es anders herum, dann wird eingespeichert«, erklärt Holger Staich. Der Mann in der Gasag-Montur ist Chef des Erdgasspeichers Berlin. Hier inmitten eines Landschaftsschutzgebietes, oder besser darunter, zwischen Olympiastadion, Stößensee und der Straße Am Postfenn lagern in etwa 850 Metern Tiefe die Gasvorräte der Hauptstadt. Die gashaltige Unterwelt misst etwa fünf Quadratkilometer.

Maximal 750 Millionen Kubikmeter Erdgas werden von der Gasag in dem Riesentank gelagert. Damit gehört der Speicher zu den größten in Deutschland. 600 000 Haushalte könnten von hier aus etwa ein Jahr versorgt werden. »Sollten mal die Lieferungen aus Russland ausbleiben ...« deutet Staich ein Szenario an, das aber so wohl nie eintreten werde. Denn Berlin habe auch noch andere Lieferanten, und auch Russland habe bisher immer zuverlässig geliefert. Auch vom jüngsten Gasstreit zwischen Gazprom und der Ukraine sei die Stadt nicht betroffen gewesen. »Der Speicher garantiert zusätzlich eine hohe Versorgungssicherheit«, lautet die Botschaft der Gasag-Manager.

Vor allem soll er saisonale Schwankungen des stark witterungsabhängigen Verbrauchs ausgleichen. Dadurch müsse im Winter nicht Erdgas teuer hinzugekauft werden. »Nicht umsonst liegt unser Unternehmen mit seinen Preisen im unteren Drittel der Versorger«, meint Gasag-Sprecher Klaus Haschker. 157 Millionen Kubikmeter Gas wurde in diesem Winter bereits entnommen, etwa die Hälfte der möglichen Menge.

Mit der Anlage des Speichers und seiner Zentrale in der Glockenturmstraße wurde in den 80er Jahren begonnen. Damit die Rohrleitung für das russische Erdgas nach Westberlin verlegt werden konnte, wurde sogar die Mauer ein Stück geöffnet. Als der Speicher 1992 in Betrieb ging, war sie bereits komplett gefallen. Mehrere Jahre hatte es gedauert, um das Gas in den Boden zu drücken.

»Aquifer-Porenspeicher« nennt sich offiziell der Anlagentyp. Das Prinzip: In 760 und 860 Meter Tiefe nimmt poröser Sandstein das Gas auf, das unter großem Druck hineingepresst wird. Darüber verhindert eine bis zu 200 Meter dicke Schicht aus Salz und Ton, dass das Gas entweicht. Die Gesteinsschichten ähneln einem unterirdischen Gebirge. »Das kann man sich wie eine umgedrehte Tupperdose vorstellen«, versucht Staich eine Erklärung. »Das Ganze funktioniert wie ein Schwamm.«

Über zehn Bohrungen wird das Gas zumeist in den Sommermonaten in den Boden gepresst und im Winter abgezapft. Ständig wird an den Rändern des Gebietes gemessen, dass auch nicht zu viel eingebracht wird. »Dann blubbert nicht etwa die Havel«, scherzt Staich, »aber wir kommen nicht mehr heran. Das Gas bleibt im Sandstein.«

Doch die Gasag nutzt die Kapazität des Speichers bisher nur zu 75 Prozent aus, etwa 1,1 Milliarden Kubikmeter könnten insgesamt gelagert werden, haben Berechnungen ergeben. Um das genau zu untersuchen, fuhren im vergangenen Jahr gewaltige Laster über das Areal und ließen mit Stahlplatten den Boden erzittern. Die Erschütterungen sollten ein genaues Bild des Untergrundes liefern. Gegenwärtig werden die Ergebnisse geprüft. Ob der Speicher noch mehr gefüllt wird, sei noch nicht entschieden, hieß es. Die Investitionen wären erheblich.

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