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Viel Geld, wenig Wirkung?

Pläne der US-Regierung gegen Finanz- und Wirtschaftskrise ernten Kritik

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit bis zu drei Billionen Dollar will die Washingtoner Elite die Finanzkrise bezwingen und Arbeitsplätze schaffen. Aber können Unsummen den Karren aus dem Dreck ziehen?

Am Dienstag warfen die US-Politiker mit Summen um sich, die sich mangels Vergleichsmöglichkeiten dem menschlichen Bewusstsein nur abstrakt erschließen. Während der Senat mit knapper Mehrheit einem Konjunkturpaket in Höhe von 838 Milliarden Dollar zustimmte, kündigte Finanzminister Timothy Geithner am Dienstag einen bis zu zwei Billionen Dollar schweren Generalplan für den Finanz- und Immobilienmarkt an. Kernstück ist ein in öffentlich-privater Partnerschaft betriebener »Financial Stability Trust«.

Während Repräsentantenhaus und Senat über einzelne Posten des Konjunkturpakets in den kommenden Tagen wohl noch hart verhandeln, bevor es am Montag Präsident Barack Obama zur Unterzeichnung vorgelegt wird, blieb das Vorhaben des Finanzministeriums unkonkreter, als viele erhofft hatten. Die Enttäuschung über die seit Wochen mit Spannung erwartete Rede Geithners ließ sich Minuten danach an den Aktienkursen ablesen. Der Dow-Jones-Index sackte bis zum Börsenschluss um 4,6 Prozent nach unten.

Linke und linksliberale Kritiker waren sich – im Gegensatz zum Mainstream – einig darüber, dass die Finanz- und die Wirtschaftskrise sowie die Maßnahmen dagegen untrennbar verknüpft sind. Uneinigkeit besteht jedoch insbesondere über das Konjunkturpaket. Schon Obamas Urfassung sowie die Umänderung durch das Repräsentantenhaus hatte der letztjährige Wirtschaftsnobelpreisträger und »New York Times«-Kolumnist Paul Krugman attackiert. Für eine dauerhafte Erholung der US-Wirtschaft greife ein solches Paket viel zu kurz. Nötig seien über die kommenden drei Jahre mindestens 600 Milliarden Dollar jährlich für Investitionen in die Infrastruktur sowie das Krankenversorgungssystem. Außerdem müssten die meisten Banken verstaatlicht werden. Was in den kommenden Tagen zwischen Senat und Repräsentantenhaus verhandelt werde, sei eine noch mehr verwässerte Fassung, die auf Obamas zu große Kompromissbereitschaft gegenüber den Republikanern zurückzuführen sei, so Krugman.

Der Wirtschaftswissenschaftler James Galbraith von der University of Texas stimmte dem Konjunkturpaket im linken Radioprogramm »Democracy Now« dagegen weitgehend zu. Er betonte aber, das Problem liege darin, dass es nur mithilfe eines klar ausgerichteten Finanzpakets zur Wirkung kommen könne. Doch im Plan von Finanzminister Geithner sei überhaupt nicht definiert, wie der »Financial Stability Trust« mit den »giftigen Wertpapieren« umgehen werde. Und niemand kenne ihren wirklichen Wert. Vor jeglicher staatlichen Garantie für den Aufkauf von Ramschware müsse das Finanzministerium die Bilanzen der Banken prüfen – wovor die Regierung aber zurückschrecke.

Der linke Ökonom Max Fraad Wolff von der New School University in New York wiederum beklagte, Banken und Großinvestoren würden erneut mehr Spielraum erhalten, während die Regierung die Bevölkerung im Unklaren lasse. Es sei es »viel zu spät und die Krise mit 16 Monaten Alter und 9,5 Billionen zu weit fortgeschritten«, als dass man die verunsicherten Märkte und die Öffentlichkeit über das weitere Vorgehen im Dunklen lassen dürfe.


Drei-Punkte-Plan

Bad Bank: Staat und Privatinvestoren sollen zunächst 500 Milliarden Dollar für ein Finanzinstitut bereitstellen, das wertlos gewordene Ramschanleihen von Banken aufkauft und verwaltet. Die Mittel für den »Financial Stability Trust« sollen bei Bedarf auf bis zu eine Billion Dollar aufgestockt werden.

Finanzspritzen: Banken sollen in einer Übergangszeit weiter Zugang zu staatlichen Geldern bekommen, wenn sie sich in einem »Stress-Test« als zukunftsfähig erweisen. Im Gegenzug würden sie verpflichtet, wieder mehr Kredite zu vergeben.

Hypotheken: Um den Immobilienmarkt zu stützen sowie Anreize zur Vergabe von Konsumenten- und Investitionskrediten zu schaffen, will die Notenbank Fed die Mittel dafür von bisher 800 Milliarden auf eine Billion Dollar erhöhen. Rund 50 Milliarden Dollar sollen für Immobilienkäufer mit Zahlungsschwierigkeiten bereitgestellt werden, um vermeidbare Zwangsversteigerungen abzuwenden. AFP/ND

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