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Steigende Mieten und fallende Bäume

Zwist um Neubau zwischen Baugruppe und Anwohnern in Alt-Treptow

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Noch stehen sie: Pappeln an der Karl-Kunger-Straße / Ecke Lohmühlenstraße ND-
Noch stehen sie: Pappeln an der Karl-Kunger-Straße / Ecke Lohmühlenstraße ND-

Noch stehen ein paar Pappeln an der Karl-Kunger Straße, nur einen Steinwurf vom Landwehrkanal entfernt. Bevor der Bautrupp gestern kurz nach 8 Uhr mit Kettensägen anrückte, gingen Mitglieder der »AnwohnerInneninitative gegen Mieterhöhungen, Verdrängung und Pappelabholzung« auf das Grundstück an der Ecke Lohmühlenstraße. Sie spannten ein Transparent zwischen zwei Bäume, hängten Schilder auf. »Stoppt den Kahlschlag im Kiez«, war zu lesen oder »Wer das Geld hat, hat die Macht«. »Ich sehe hier nur, dass ständig abgeholzt wird, aber keine Neupflanzungen«, sagt Birgit Janisch. Sie wohnt seit acht Jahren im Kiez. Das Grün der Bäume ist für sie »ein Stück Lebensqualität«.

Doch es geht längst nicht nur um Bäume. Die im Sommer 2008 gegründete Initiative kritisierte mit der Aktion die Baugruppe »Karloh«, die hier Eigentumswohnungen bauen will. Ökologisch und energiepolitisch nachhaltig, generationen- und lebensweisenübergreifend, demokratisch und partizipativ, individuell und solidarisch soll es nach der Selbstdarstellung sein.

Für eine Anwohnerin geht das nicht zusammen. »Das gilt nur für sie selber«, meint die Frau. Man könne auch ein genossenschaftliches Modell wählen, in dem alle Schichten vertreten sind, anstatt mit dem Neubau bloß mehr Privateigentum zu schaffen. Sie kritisiert zudem, dass die Baugruppe ein »Teil von Verdrängung« sei und sich nicht damit auseinandersetzt. Die Aufwertung des Kiezes durch den Bau von Eigentumswohnungen ziehe einkommensstarke Schichten nach, die bereit seien, höhere Mieten zu zahlen, was wiederum zur Erhöhung des Mietspiegels führe und letztlich zur Vertreibung einkommensschwacher Schichten.

Was hier nach einer simplen Wenn-dann-Rechnung klingt, ist in den Innenstadtbezirken oftmals Realität. Im November 2008 forderte beispielsweise der Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), den Senat auf, sich im Bundesrat gegen überteuerte Mieten stark zu machen. Das Thema Mietsteigerung scheint allgegenwärtig, und auch in Alt-Treptow wird es nach Anwohnerangaben für ALG II-Bezieher schwer, Wohnungen zu finden.

»Der Zusammenhang ist nicht zu leugnen«, meint Sabine Hark von der Baugruppe Karloh. Sie betont, dass ihre Gruppe aber für die Eigennutzung baue und nicht mit Investoren »verbandelt« sei. Wie man den »fundamentalen Dissens, dass wir hier bauen wollen, und die das nicht wollen« auflösen könne, weiß sie auch nicht. »Den Dialog haben wir gesucht«, sagt sie.

»Ich habe nichts gegen die Leute«, sagt Jürgen Hans, der seit 18 Jahren auf dem benachbarten Wagenplatz Lohmühle wohnt und sich in der Anwohnerinitiative engagiert. Die Pappeln an der Karl-Kunger-Straße seien nur ein Teil der Auseinandersetzung. Jede frei werdende Wohnung werde teurer neuvermietet. Eine Lösung kann sich der 48-jährige Selbstständige vorstellen: »Der Senat müsste die Miethöhen und Erhöhungen bei Neuvermietungen deckeln. Sonst fliegen uns hier bald Mieten um die Ohren.« Wünschenswert, aber die Pappeln an der Karl Kunger Straße werden das wohl nicht mehr erleben.

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