Bildfolge eines durchkämpften Lebens

Udo Hesse zeigt seine Fotos von Tanzvisionär Dieter Heitkamp in der Galerie Kronenboden

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.
Dieter Heitkamp in Frankfurt am Main, 2005
Dieter Heitkamp in Frankfurt am Main, 2005

Ging es um Zeitgenössischen Tanz, dann war Dieter Heitkamp auf Jahrzehnte die Autorität schlechthin. Tanzfabrik, Deutschlands Urzelle für Bewegungsforschung, und Heitkamp wurden Synonyme. Als sie 1978 in einer alten Kreuzberger Fabriketage gegründet wurde, gehörte Heitkamp zu den Mitinitiatoren. Dort, unter nicht eben luxuriösen Bedingungen, arbeitete und wohnte, stritt und liebte man zusammen – die Tanzfabrik war auch ein alternativer Lebensentwurf mit dem künstlerischen Schaffen als Zentrum.

Bis 1995 war er einer ihrer künstlerischen Leiter, hatte zuvor in Berlin Sport und Biologie, dann auch Bildende Kunst studiert. Als Spezialist für Kontaktimprovisation entwickelte er – meist arbeitsteilig mit ihm seit langem verbundenen Kollegen – 18 abendfüllende Produktionen für »seine« Tanzfabrik: alle anregend, manche gelungen, andere streitbar auf hohem Niveau. Damit wurde Heitkamp so etwas wie der Gradmesser für Qualität im Bereich des Zeitgenössischen Tanzes.

Als diskutierfreudig, von unversiegbarer Energie und unzerstörbarem Glauben an die verändernde Kraft des Zeitgenössischen Tanzes erinnert ihn, wer ihn aus jener Zeit kennt. Seit 2001, nach Jahren des kargen Brotes als freier Choreograf, hat Heitkamp eine Professur für Zeitgenössischen Tanz an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main, stieg zum Direktor eines Fachbereichs, 2005 gar zum Dekan auf. Rastlos bewegt er nun am Main weiter, was er an der Spree begonnen hatte.

Beobachtet hat ihn dabei über all die Jahre Udo Hesse, Fotograf und Freund, geboren 1955, nur zwei Jahre älter als sein Modell. Die Galerie Kronenboden zeigt mit rund 30 teils großformatigen Fotos, schwarz-weiß wie auch farbig, den Choreografen, Privatier und Lebenskünstler Heitkamp, wie ihn Hesses Kamera treffsicher einfängt. Die Schau »posed / exposed« umfasst den Zeitraum von 1981 bis in die Gegenwart, enthält Porträts ebenso wie Stückaufnahmen und fotografische Inszenierungen. Besonders in ihnen beweist sich, dass Heitkamp seine Tanzfabriklektion der Einheit von Kunst und Leben verinnerlicht hat. Die Ausstellung ist Reminiszenz an ein bewegtes Kapitel der Berliner Tanzentwicklung am Beispiel ihres Protagonisten, Hommage an diesen menschlichen Motor, aus dessen Augen Schalk wie Begeisterung sprühen. Sie ist Bildfolge eines durchkämpften Lebens mit sichtbaren Ermüdungen und Ausdruck für Heitkamps ungebrochene Fantasie, sich selbst und die Dinge um sich fotogen zu arrangieren und so beeindruckende Wirkungen zu erreichen.

Aus dem rebellischen Mittzwanziger von 1981 ist mittlerweile ein seriöser Akademiker mit Brille geworden, dessen verhärmtes Gesicht nicht nur Glück spiegelt, der nach wie vor keiner Konvention entspricht und auch seinen Preis zu zahlen hat. Das mutige Foto einer Hüfte voller Blutergüsse nach der Operation 2008, die Beine in Kompressionsstrümpfen, zeugt davon. Dieter Heitkamp wird auch das nicht aus der Spur des Zeitgenössischen Tanzes tragen.

Bis 7.3., Do.-So. 14-18 Uhr, Galerie Kronenboden, Schwedenstr. 16, Wedding, weitere Informationen im Internet unter www.kronenboden.de

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