Liebe und Hoffnung
Junge Kubaner mit Down-Syndrom zeigen Kunst
Immer wieder möchte man in die etwas eigenwilligen, teils verzerrten und farbenfrohen Gesichter schauen, die derzeit die Wände der Räumlichkeiten des WerkStadt e.V. in der Neuköllner Emser Straße schmücken. Geschaffen wurden sie von überwiegend jungen Menschen mit Down-Syndrom aus Pinar del Rio in Kuba und gehören zur Ausstellung des Kunstprojektes »Amor y Esperanza« (Liebe und Hoffnung), die der Sonderschulpädagoge Stefan Ende nach Berlin holte.
»Dieses außergewöhnliche Projekt vorzustellen, das jungen Menschen mit geistiger Behinderung die Möglichkeit einer sinnvollen Tätigkeit gibt, ist eines der Ziele. Zudem unterstützen wir mit den Verkauf der Originaldrucke für 15 oder 25 Euro die Künstlerinnen und Künstler.«
Dass diese Hilfe notwendig ist, weiß der 29-Jährige Berliner aus eigenem Erleben. 2005 absolvierte er sein Schulpraktikum in der Sonderschule »Carlos Marx« in Pinar del Rio, der Hauptstadt der westlichsten Provinz der Insel. »In dieser Zeit lernte ich den Maler Jesús Carrete Rodríguez und seine Frau Coralina kennen, die mich offen und herzlich in ihrer Wohnung aufnahmen. Dort sah ich, wie Jugendliche mit Down-Syndrom – darunter ihre Tochter Lianna – den Umgang mit verschiedenen künstlerischen Techniken erlernten.«
Zunächst war das von dem Ehepaar 2002 initiierte Kunstprojekt »Amor y Esperanza« in einer Sonderschule aktiv. Nach dem Abschluss dort haben es die Behinderten in Pinar del Rio jedoch schwer, einen Beruf zu erlernen oder Arbeit zu finden. »Werkstätten oder beschützte Arbeitsplätze wie hierzulande gibt es nicht.«
Seit 2005 besteht eine feste Gruppe, die regelmäßig unter der Anleitung von Jesús Carrete, Mitglied der nationalen Union der kubanischen Schriftsteller und Künstler (UNEAC), in den Wohnräumen arbeitet. Die Jugendlichen und Erwachsenen haben seither ihre künstlerischen und kreativen Fähigkeiten erweitern können und agieren weitgehend selbstständig. Sie begreifen sich selbst als Künstler und werden als solche auch von der Gesellschaft wahrgenommen.
Davon zeugen erfolgreiche Ausstellungen in der Heimatstadt, aber auch in Havanna, Mexiko oder Spanien. »Sie strahlen ein großes Selbstbewusstsein aus, wenn sie über ihre Werke sprechen«, erzählt Ende. »Sie zeigen mit ihrer Arbeit ihre Sicht auf die Gesellschaft und die Welt und können durch den Verkauf auch noch zum Familieneinkommen beitragen.«
Mittlerweile gibt es eine zweite Gruppe, in der auch Menschen mit anderen geistigen Behinderungen tätig sind. In einem dritten Kurs erlernen Kunstlehrer bei Carrete die verschiedenen Drucktechniken, um sie dann weiter zu vermitteln.
Die Räumlichkeiten reichen jedoch längst nicht mehr aus und die Suche nach einer geeigneten Örtlichkeit ist nicht einfach – auch weil das Projekt unabhängig bleiben möchte. Eine Unterstützung durch die kubanische Caritas existiert, sie reicht aber nicht aus. »Insbesondere das benötigte Material ist teuer«, weiß der freie Sonderschulpädagoge und Einzelbetreuer von Behinderten. »Sehr wichtig war daher eine Ausstellung in Spanien, wo sämtliche Werke verkauft wurden. Warum sollte das hier nicht auch gelingen?«
Stefan Ende plant daher weitere Ausstellungen in der Stadt und möchte Beziehungen zu Einrichtungen herstellen, die ebenfalls mit behinderten Künstlern arbeiten. Auch könnte er sich einen Austausch von Gruppen oder einzelnen Künstlern vorstellen.
Bis 7.3, WerkStadt e.V., Emser Str. 124/Ecke Ilsestraße, Neukölln, geöffnet Do. ab 18 Uhr, Fr., Sa. ab 19 Uhr und nach Vereinbarung, www.werkstadt-berlin.com
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