Isegrimm ist ein scheues und kluges Tier

Ängste und Hoffnungen - immer mal wieder streifen Wölfe durch märkische Wälder

  • Bernhard Breitenfeld
  • Lesedauer: 3 Min.
Streicht er nun durch die märkischen Wälder oder nicht - der Wolf? Seit kürzlich in der Muskauer Heide bei Weißwasser ein ganzes Rudel Wölfe gesichtet worden war, wird über sein Vorkommen in Brandenburg wieder verstärkt spekuliert. Mit sehr unterschiedlichen Befindlichkeiten. Die einen sehnen ihn geradezu herbei, weil der Wolf in deutschen Forsten einst zu Hause war. Bis er vor mehr als 150 Jahren hier nicht etwa ausstarb, sondern regelrecht ausgerottet wurde. Die anderen, eher ängstlichen Zeitgenossen sehen sich bei zukünftiger Pilzpirsch schon zwischen den spitzen Fangzähnen des blutrünstigen Jägers. Wie aber steht es um die Chancen einer Wiederansiedlung des Wolfes in hiesigen Breiten? Und welche wirklichen oder vermeintlichen Gefahren könnten daraus entstehen? Tatsächlich streifen immer wieder einmal Wölfe durch Brandenburgs Forsten. Auf uralten Wechseln kommen sie über die Grenzflüsse Neiße und Oder aus Polen. Übrigens immer öfter, seit auch im Nachbarland in den 90er Jahren das seltene Tier unter strengen Schutz gestellt worden war. Die östliche Mark bietet dem Wolf fast ideale Lebensbedingungen: große, zusammenhängende Wälder nicht nur in der Schorfheide und der Uckermark, ein gut gedeckter Tisch wegen des enorm hohen Wildbesatzes sowie eine relativ geringe Besiedlung durch den Menschen. Niemand unter den einschlägigen Experten will sich jedoch festlegen, ob überhaupt und wenn, wie viele Wölfe in Bran- denburg leben. Ein wenig aus der Deckung wagt sich Jürgen Goretzki von der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft in Eberswalde. In der Mark seien »im vergangenen Jahrzehnt etwa 20 Wolfsbeobachtungen registriert« worden, berichtet der Biologe. Immer wieder gebe es für sein hiesiges Auftreten konkrete Hinweise. Geschuldet sei das einer kleinen Wolfspopulation in Westpolen, für die Brandenburgs Wälder einen peripheren Lebensraum darstellen. »Für Wölfe bildet die Oder keine Barriere.« Aktuelle Hinweise jedoch, dass hier ähnlich wie in der Muskauer Heide einzelne Wölfe oder gar ein Rudel zu Hause seien, gebe es nicht, versichert der Wildbiologe. Und wenn doch? Müssten dann die ausgedehnten Kiefern- und Laubmischwälder entlang des Grenzstromes nach den vermeintlichen Bestien durchforstet werden? Walter Tscherner vom Berliner Tierpark gibt Entwarnung. Der Wolf sei ein besonders scheues, vorsichtiges und kluges Tier. Aktive Überfälle auf Menschen schließt er deshalb aus. Dafür gebe es auch »keine wissenschaftlicher Kritik standhaltenden Indizien«, sagt er klipp und klar. Gefährlich für den Menschen seien Kampfhunde und nicht Wölfe. Überhaupt gehörten Menschen nicht ins Beutespektrum dieses Raubtieres. Dass vom Wolf keine Gefahr ausgeht, bestätigt auch Imke Heyter vom Wildpark Schorfheide bei Groß Schönebeck. Dort lebt unter seinesgleichen »Naum« - jener dreibeinige Wolf, der vor zwei Jahren wegen seiner Verletzung bei Ossendorf (Landkreis Oder-Spree) eingefangen worden war. Nur nördlich der Alpen gebe es diese unbegründete Angst vor dieser Raubtierart, erläutert die Expertin. In Ländern, wo der Wolf noch heute anzutreffen sei wie auf der iberischen Halbinsel, in Italien oder auf dem Balkan, kenne man das »Rotkäppchen-Syndrom« überhaupt nicht. »Ganz im Gegenteil«, sagt Imke Heyter, seien »die Italiener stolz auf den Wolf«. Immerhin soll eine Wölfin Remus und Romulus genährt haben - die Begründer Roms.ddp
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