Vattenfall wird klimaschön

Konzern will CO2-Emissionen stärker reduzieren als Senat / Lompscher und Wolf erfreut

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Bald hört's hier auf zu qualmen: Das Braunkohlekraftwerk Klingenberg.
Bald hört's hier auf zu qualmen: Das Braunkohlekraftwerk Klingenberg.

Jetzt ist auch offiziell, was die Spatzen seit Tagen von den Dächern pfiffen: Die Pläne des Energiekonzerns Vattenfall, ein 800 Megawatt-Steinkohlekraftwerk in Rummelsburg zu bauen, sind vom Tisch. Der Konzern stellte gestern sein Energiekonzept für Berlin vor.

Bis zum Jahr 2020 will Vattenfall seinen absoluten CO2 Ausstoß um 50 Prozent reduzieren, von 13,3 Millionen Tonnen im Jahr 1990 auf 6,4 Millionen Tonnen. Die Klimaschutzziele des Konzerns liegen damit noch über denen des Senats, der den Ausstoß vom klimaschädlichen CO2 um 40 Prozent reduzieren will. Vattenfall plant, verstärkt auf Einsatz von Erdgas und Biomasse sowie den Ausbau der dezentralen Wärmeversorgung zu setzen. Zudem hat Vattenfall dem Senat Gespräche über eine Klimaschutzvereinbarung angeboten.

»Vattenfall stellt sich bewusst auf die Seite des Senats und der Berliner Bürger«, sagte der Generalbevollmächtigte von Vattenfall Europe Berlin, Werner Süss, am Donnerstag. Man habe bei der Konzeptentwicklung die vielen Meinungen in der Stadt aufgegriffen. Dass nun einige der Heizkraftwerke an ihr technisches Laufzeitende kämen, biete die Chance, sie durch hocheffiziente und den Klimaschutzzielen entsprechende Kraftwerke zu ersetzen, so der Chef von Vattenfall Europe Berlin, Klaus Pitschke. Der jahrelange Protest in Rummelsburg habe indes mit dem Umdenken von Vattenfall nichts zu tun, betonte Süss. Schließlich habe man sich nie auf das Kohlekraftwerk festgelegt, sondern »alle Optionen eingehend geprüft«.

Wirtschaftssenator Harald Wolf und Umweltsenatorin Katrin Lompscher (beide LINKE) zeigten sich erfreut über die Entscheidung. »Der Widerstand hat dazu beigetragen, dass Vattenfall umdenkt«, sagte Lompscher. Das Konzept bedürfe nun »tieferer Prüfungen«. Sie nehme erfreut zur Kenntnis, dass Vattenfall sowohl die Klimaschutzziele übertrifft als auch Verantwortung in der Stadt übernimmt. Man müsse jetzt sehen, ob die Planungen von Vattenfall deutlich über den Bedarf hinausgehen und gegebenenfalls den Dialog mit dem Konzern suchen, so Wolf. Bezirkliche Bebauungspläne böten weitere Einflussmöglichkeiten der Politik. Wolf bezeichnete das Konzept Vattenfalls als eine Grundlage, »auf der man jetzt arbeiten kann«.

Die Entscheidung gegen das Steinkohlekraftwerk in Rummelsburg bezeichnete Ulf Sieberg vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) als »die klima- und wirtschaftspolitisch einzig sinnvolle Entscheidung«. Auch er begrüßte die Pläne Vattenfalls, kritisierte aber, dass das Konzept nicht weit genug gehe und Erdgas »nur eine Übergangslösung« sein könne. Die BUND-Kritik, dass sich der Senat den Gestaltungsraum nehmen lasse, weil der Konzern zuerst ein Konzept vorlege, wies Lompscher zurück. Vattenfalls Einlenken sei auch ein Ergebnis öffentlichen Drucks.

Der Senat will zusammen mit der Berliner Energieagentur (BEA) und dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung bis Mai Leitlinien und bis Ende des Jahres ein »Energiekonzept 2020« vorlegen. Die Priorität sieht BEA-Chef Michael Geißler bei den Einsparpotenzialen. Der Energiebedarf Berlins müsse in den Mittelpunkt rücken. Der BUND will bis Ende März mit der Klimaallianz ein alternatives Energiekonzept vorstellen.


Was plant Vattenfall?

  • In Ostberlin will Vattenfall das Kraftwerk Klingenberg stilllegen und durch zwei Biomasse-Kraftwerke ersetzen.
  • Im Kraftwerk Lichtenberg wird der Stromteil bis 2011 stillgelegt.
  • Dafür werden ein oder zwei neue Gaskraftwerke am Standort Lichtenberg (der an der Rhinstraße in Marzahn liegt) und Klingenberg gebaut.
  • In Westberlin legt Vattenfall den Block C des Steinkohlekraftwerks Reuter still und ersetzt das 40 Jahre alte Kohlekraftwerk Lichterfelde durch einen modernen Gaskraftwerk-Neubau. Die Detailplanung und Prüfung soll hier sofort beginnen.
  • Die Anteile von Erdgas sollen bis 2020 bei 50 Prozent (1990: 16 Pozent), Steinkohle bei 44 Prozent (1990: 47 Prozent) und Biomasse bei sechs Prozent (1990: 2 Prozent) liegen.
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