Sozialistischer Sieg quasi im Westen

Linkspartei-Mann in Bürgermeister-Stichwahl / Dabei leben in Kleinmachnow kaum Ostdeutsche

Klaus Jürgen Warnick - Der Rundfunkmechaniker saß im Bundestag
Klaus Jürgen Warnick - Der Rundfunkmechaniker saß im Bundestag

Es gab Leute, die verließen am Sonntagabend wutentbrannt die Wahlparty im Kleinmachnower Rathaus. Sie ziehen aus dieser Stasi-Hochburg weg, schimpften sie dabei. Was war geschehen?

Klaus-Jürgen Warnick (Linkspartei) hatte bei der Abstimmung über den neuen Bürgermeister 20,4 Prozent der Stimmen erhalten. Damit qualifizierte er sich für die Stichwahl in zwei Wochen. Sein Kontrahent ist dann Michael Grubert (SPD), der am Sonntag 25,6 Prozent der Stimmen auf sich vereinigte. Der CDU-Kandidat Bernd Schneider zum Beispiel erhielt in der ersten Wahlrunde 18,6 Prozent, die Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm (Grüne) bekam 11 Prozent. Die Bürgermeisterwahl ist erforderlich, weil der bisherige Rathauschef Wolfgang Blasig (SPD) zum Landrat von Potsdam-Mittelmark avancierte.

Für die Stichwahl rechnet sich Warnick trotz seines Rückstandes auf den SPD-Bewerber Chancen aus. Er erwartet, Stimmen aus den anderen Lagern – auch von CDU-Anhängern – zu bekommen. Allein dass er in die nächste Runde kommt, kann der Rundfunkmechaniker als großen Erfolg verbuchen. Immerhin leben in Kleinmachnow inzwischen viele Zugezogene aus Westberlin und aus den alten Bundesländern, darunter Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). Sie stellen 80 Prozent der Bevölkerung in der Kommune, die südlich an die Bundeshauptstadt grenzt. Dies wissend scherzt Warnick: »Ich habe in Westdeutschland gesiegt.« Wie ist ihm das gelungen? »Mit Bürgernähe und Glaubwürdigkeit« habe er seine Heimat »zurückerobert«, erzählt der 1952 Geborene. Damit habe er Vertrauen gewonnen. Am häufigsten höre er den Satz: »Ich wähle sie, obwohl sie in der Linkspartei sind.«

Im Internet kommentierte ein Mann das Wahlergebnis mit den Worten: Dass ein Linker das in dem Ort mit dem teuersten Bauland und dem höchsten Durchschnittseinkommen weit und breit schaffte, glaube er einfach nicht. »Irgendwas müssen die doch richtig machen, die LINKEN?«

Sozialistischen Idealen hing Klaus-Jürgen Warnick immer nach. Ein alter Kader – wie einige jetzt empört denken – ist er allerdings keineswegs. Im Gegenteil: Er gehörte der SED nicht an, nicht einmal der FDJ. Er ging in der DDR nicht zur Wahl und vertrat die Meinung, dass die da oben die schöne Idee des Sozialismus kaputt machen. Er sammelte Unterschriften für grundlegende Veränderungen und pflegte Kontakte zum Neuen Forum.

Anfang der 80er Jahren hatte Warnick zu Freunden gesagt: »Ihr werdet es erleben: Noch in diesem Jahrtausend bade ich im Wannsee.« Dann allerdings fand er nicht die Zeit dazu. Der Mann, der als Schichtleiter in einem großen Teltower Industriebetrieb arbeitete, baute ab 1974 schrittweise eine verfallene Laube zum Eigenheim aus. Doch 1990 stand der Alteigentümer aus Berlin-Wilmersdorf vor der Tür und wollte ihn, die Frau und die Kinder raushaben.

Warnick gehörte zu den ersten Ostdeutschen, die sich gegen ein solches Vorgehen gerichtlich wehrten. Sein Fall machte Schlagzeilen. Auch der »Spiegel« berichtete seinerzeit, schrieb, dass in dem »Villenvorort« 70 Prozent der Quartiere von Westlern beansprucht werden. Das sei die höchste derartige Quote in Ostdeutschland, hieß es. Warnick gelang es, sich zu behaupten. Er wohnt noch immer in dem Haus. Weil nur die PDS damals wirklich helfen wollte, kam es zu einer Annäherung. Für die PDS zog Warnick 1994 in den Bundestag und 1999 in den Landtag ein, wo er jeweils eine Legislaturperiode saß. Erst später trat Warnick in die Partei ein. Heute ist er Kreisvorsitzender und Mitarbeiter des Landtagsabgeordneten Andreas Bernig. Außerdem ist Warnick Landesvorsitzender des Mieterbundes.

Ein unbequemer Gegner für den SPD-Kandidaten Gruber, der allerdings behauptet, ihm sei jeder Kontrahent gleich lieb. »Ich war immer unbequem«, betont Warnick. Er möchte den Anstieg der Mieten begrenzen, das Freibad Kiebitzberge sanieren lassen und seinen Schreibtisch in der warmen Jahreszeit jede Woche für zwei Stunden auf den Rathausmarkt verlegen, um für die Bürger besser ansprechbar zu sein.

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