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Stammumfänge falsch gemessen?

Protest gegen A 100: Naturschützer kritisieren Baumgutachten des Stadtentwicklungssenats

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 3 Min.
Offenbar dicker als der Senat denkt: eine Platane Am Treptower Park
Offenbar dicker als der Senat denkt: eine Platane Am Treptower Park

Es gibt neuen Ärger um den geplanten Ausbau der A 100 vom Autobahndreieck Neukölln bis zum Treptower Park. Die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisieren das vorliegende Baumgutachten von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zum so genannten Landschaftspflegerischen Begleitplan. Das Gutachten entspreche in keiner Weise den fachlichen Anforderungen, erklärte gestern BUND-Naturschutzreferent Herbert Lohner. »Es fehlen schlichtweg Bäume in dem Material, zudem wurden falsche Arten aufgeführt und bei mehr als 60 Bäumen stimmen die angegebenen Stammumfänge nicht«, betonte er. Das hätte eine stichprobenartige Überprüfung der Gutachtens-Daten ergeben. Deshalb fordern die Naturschützer: Ein neues, qualitativ einwandfreies und nachvollziehbares Baumgutachten müsse erstellt werden. »Mit Nachbessern ist da nichts zu machen«, so BUND-Verkehrsreferent Martin Schlegel.

Die Naturschutzexperten seien beim Einsehen der Planfeststellungsunterlagen zur Verlängerung der Stadtautobahn stutzig geworden, weil in dem besagten Gutachten »viele der aufgeführten Bäume den gleichen Umfang haben«, berichtete Lohner.

Stichprobenartig wurde deshalb in den vergangenen Tagen nachgemessen. Die Ergebnisse sind eindeutig: »Wir ermittelten Umfangsdifferenzen bis zu 190 Zentimeter«, erklärte der Experte. Häufig wurden geringere Maße im Gutachten angegeben.

Außerdem kritisieren die Naturschützer, dass teilweise vorhandene Bäume an Straßen oder in Kleingartenanlagen überhaupt nicht erfasst sind. Das betrifft beispielsweise Eichen und Robinien in der Kleingartenanlage Stadtbär. Eine Ersatzpflanzung sei wegen dieser Fehler dann dafür nicht vorgesehen. »Es ist zu vermuten, dass gesetzlich geschützte Bäume offensichtlich ersatzlos gefällt werden sollen«, sagt Lohner.

Der BUND kommt zu dem Schluss: Wenn schon die Bestandsaufnahme und Erhebung der Pflanzen fehlerhaft sei, wäre eine wirklichkeitsnahe und nachvollziehbare Berechnung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen unmöglich. »Nach unserem Eindruck ist die Zahl der zu fällenden Bäume vermutlich doppelt so hoch wie im Gutachten angegeben«, erklärte Lohner. In dem von einem Brandenburger Planungsbüro erstellten Papier ist von 298 Stämmen die Rede. Bemängelt wird vom BUND zudem eine unrealistische Kosteneinschätzung für die angesetzten Neupflanzungen.

Die aufgeführten Kritikpunkte wollen die Naturschutzverbände jetzt in ihrer schriftlichen Stellungnahme zum Planfeststellungsverfahren formulieren und dem Vorhabensträger, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, übergeben. Dort sieht man den Einwendungen indes gelassen entgegen: »Wir werden natürlich die Kritik prüfen, gehen aber davon aus, dass die Zahlen im Gutachten korrekt sind«, erklärte gestern Sprecher Marko Rosteck.

Unterdessen steigt auch die Zahl der Klagewilligen gegen den Autobahnbau. BUND-Verkehrsreferent Schlegel kündigte an, dass mittlerweile sieben vom Autobahnbau betroffene Anwohner klagen wollen. Wie berichtet, müssen für den 3,2 Kilometer langen Abschnitt vier Häuser abgerissen werden und 300 Kleingärten in Neukölln und Treptow-Köpenick verschwinden.

Die Bürgerinitiative Stadtring Süd (BISS) ruft unter dem Motto »A 100 stoppen, Einspruch jetzt!« zu einer Rad-Skater-Demo gegen den A 100-Ausbau auf. Treffpunkt: Sonntag, 19. April, 15 Uhr, am S-Bahnhof Treptow. Informationen: www.stop-a100.de

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