Macht hat, wer am richtigen Schalter sitzt

Im Kampf um höhere Löhne stellen Frankreichs Energiearbeiter auch schon mal den Strom ab

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit Wochen sorgen Frankreichs Energiearbeiter mit ungewöhnlichen Arbeitskampfformen für Schlagzeilen und kontroverse Diskussionen. Die einen halten sie für Saboteure, bei den anderen lösen sie mit ihren Umverteilaktionen Symphatie aus.

Um ihren Forderungen nach höheren Löhnen Nachdruck zu verleihen, schalten die Energiearbeiter der Konzerne Electricité de France (EDF) und Gaz de France (GDF) in letzter Zeit immer öfter Teile des französischen Stromnetzes zeitweise ab. Oder aber sie schließen Familien, die wegen nicht bezahlter Rechnungen abgeklemmt waren, demonstrativ wieder an. Auch zahlreiche Blitzanlagen an Fernstraßen und Autobahnen fallen zwischenzeitlich aus, so dass dem Fiskus die entsprechenden Einnahmen entgehen.

Der Konflikt zwischen den Arbeitern und den Stromunternehmen schwelt nun schon seit Anfang März. Über die Anhebung der Löhne um 10 Prozent hinaus fordern die Beschäftigten auch einen Stopp beim Stellenabbau. Im Gegenteil wollen sie durchsetzen, dass mehr Mitarbeiter eingestellt werden. Sie begründen dies mit der steigenden Arbeitsbelastung, die oft besorgniserrende Konsequenzen für ihre Gesundheit hat.

Außerdem fordern die Gewerkschaften von der französischen Regierung, den eingeleiteten Privatisierungsprozess der Energieversorgung rückgängig zu machen. Wenn es nach den Gewerkschaften ginge, sollten EDF und GDF zu einem großen öffentlich-rechtlichen Energiekonzern fusionieren. »Strom und Gas sind für alle da und nicht für die Profitjäger«, lautete eine ihrer Forderungen auf der Pariser Demonstration am 1.Mai.

Eine Gruppe von etwa 50 EDF-Mitarbeitern löste sich dort übrigens aus dem Demonstrationszug. Gekleidet in ihre blauen Arbeitsuniformen umringten sie kurze Zeit später einen Stromkasten, der am Straßenrand stand. Wer von ihnen schließlich kurze Zeit später den Kasten öffnete und den Strom für die angrenzenden Häuserblocks abstellte, war für Außenstehende nicht erkennbar. In dem betroffenen Gebiet befinde sich auch das Haus eines Abgeordneten der rechten Regierungspartei UMP, hieß es zur Erklärung.

Solche Aktionen gibt es seit Wochen überall im Land, besonders häufig aber in der Hauptstadt und der umliegenden Pariser Region. Der größte Ausfall der Gasversorgung in diesem Zusammenhang betraf am vergangenen Wochenende rund 7500 Haushalte in den nördlichen Pariser Stadtbezirken. Die GDF musste 80 Mitarbeiter zusammentrommeln, um die Versorgung schrittweise wieder herzustellen. Das dauerte immerhin fast zwei Tage. Der Energiekonzern hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Wo die Täter derartiger Aktionen bekannt sind, haben die Konzerne EDF und GDF Disziplinarverfahren oder gar strafrechtliche Verfahren eingeleitet.

Die Gewerkschaften wenden sich entschieden gegen die Bestrafung einzelner Mitarbeiter bei diesen kollektiven Protestaktionen. Insgesamt wissen sie von rund 50 solcher Verfahren. »Das zielt ganz eindeutig darauf, die kampfenschlossenen Energiearbeiter untereinander zu entzweien und einzuschüchtern«, schätzt Maurice Marion, Sprecher der CGT-Energiearbeitergewerkschaft, ein. »Die Direktionen von EDF und GDF sollten lieber die Gespräche mit den Gewerkschaften aufnehmen. Sie haben den Ernst der Lage unterschätzt und können durch Beharren auf Sanktionen die Fronten nur noch weiter verhärten.« Den Vorwurf der Verantwortungslosigkeit weist er zurück. »Verantwortungslos handeln die Direktoren, die einseitig die Verhandlungen aufgekündigt haben. Außerdem betreffen die Abschaltungen zumeist öffentliche Gebäude oder aber Häuser, in denen Regierungspolitiker wohnen.« Dass kürzlich bei der Abschaltung eines Straßenzuges auch ein nahegelegenes Krankenhaus mitbetroffen wurde und wegen des Versagens der Notstromaggregate überstürzt evakuiert werden musste, wird als bedauerliche Panne gewertet. Dass die Regierung und die rechten Medien sie als »Saboteure« bezeichnen, verwundert die Energiearbeiter nicht, aber es verbittert sie. Einer von ihnen meint: »Saboteure sind doch eigentlich diejenigen, die aus Strom und Gas, also einem von allen Bürgern benötigten Verorgungsgut, skrupellos Maximalprofite schlagen wollen.«

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