Krank durch Dr. Google

Welche Gefahren das Internet für medizinische Laien birgt

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.
Wer heute nach Informationen sucht, nutzt dafür gern das Internet. Auch wenn es um die Diagnose von Krankheiten geht. Doch Ärzte warnen: Im Netz finden sich viele medizinische Erklärungen, die Menschen verunsichern und manchmal sogar in Todesängste stürzen.
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Zwei Wochen lang litt Klaus T. immer wieder unter Kopfschmerzen. »Was mag das wohl sein?« fragte sich der studierte Betriebswirt besorgt. »Steckt dahinter vielleicht etwas Ernsthaftes?« Kurz entschlossen warf er seinen Computer an und gab bei Google den Suchbegriff »Kopfschmerzen« ein. Und da stand es, schwarz auf weiß auf einer Gesundheitsseite: »Kopfschmerzen sind das erste und häufigste Symptom für einen Hirntumor.« Weiter zu lesen, wagte Klaus T. erst gar nicht. Mehrere Tage lebte er stattdessen wie in Trance, bevor er sich entschloss, einen Arzt aufzusuchen – der ihn beruhigte: »Bei Ihnen ist organisch alles in bester Ordnung.«

Zwei von fünf Deutschen, so belegen Umfragen, schauen zuerst ins Internet, bevor sie wegen gesundheitlicher Beschwerden zum Arzt gehen. Der amerikanische Psychiater Brian Fallon hat für dieses Phänomen bereits einen neuen Begriff geprägt: »Cyberchondrie«. Zwar sind die meisten Menschen in der Lage, die im Netz gefundenen medizinischen Informationen mit Bedacht abzuwägen. Das gilt jedoch nicht für Hypochonder, die ständig befürchten, an einer unerkannten Krankheit zu leiden. Sie brauchen nur einmal heftigere Bauchschmerzen zu bekommen, und schon glauben sie, Magenkrebs zu haben. Oder zumindest ein offenes Magengeschwür.

Für solche Personen kann der Trip durch das Internet leicht zu einer Art Höllenfahrt werden. Denn wie Umfragen weiter belegen, brechen die meisten Hypochonder ihre Nachforschungen erst dann ab, wenn sie ausgehend von relativ harmlosen Symptomen zu den schlimmst möglichen Krankheiten vorgedrungen sind. Und ohne die Tragweite des im Netz Gelesenen richtig einschätzen zu können, reagieren viele panisch und schmälern damit nachhaltig ihre Lebensqualität. Zwar ist, wie der Volksmund sagt, noch niemand an Hypochondrie gestorben. Allerdings geraten die Betroffenen häufig in soziale Isolation oder entwickeln depressive Störungen, weiß die Marburger Psychologin Gaby Bleichhardt aus eigener Praxis zu berichten. Manche Hypochonder müssen sogar ihren Beruf aufgeben.

Wie viele Menschen mit chronischen Krankheitsängsten in Deutschland leben, kann niemand mit Bestimmtheit sagen. Nach Schätzungen sind es etwa sieben Prozent der Bevölkerung. Darunter ist auch der Kabarettist und Entertainer Harald Schmidt, von dem es heißt, dass er eine Zeitlang nur dann öffentlich auftreten konnte, wenn zugleich ein Rettungswagen für ihn bereitstand. Solche Geschichten mögen für Außenstehende recht amüsant sein. Zumal Hypochonder in der Öffentlichkeit häufig als »Weicheier« oder Simulanten verspottet werden.

Den meisten Hypochondern tut man damit sicher unrecht. Denn sie leiden in gewisser Weise real unter ihren Ängsten. Mehr noch: Wer sich unentwegt von einer ernsten Krankheit bedroht fühlt, entwickelt nach einiger Zeit tatsächlich Symptome, die mit dieser Krankheit normalerweise einhergehen. Ein Blick ins Internet bestätigt dann die vermeintlich böse Ahnung und forciert zugleich die Angst der Betroffenen, wodurch sich wiederum deren Symptome verstärken usw. Wie lässt sich dieser Teufelskreis durchbrechen? Vermutlich wird man hypochondrisch veranlagte Menschen durch Appelle nicht davon abhalten können, im Netz nach Krankheiten oder Krankheitssymptomen zu forschen. Man kann aber mit Nachdruck darauf hinweisen, dass die dort gefundenen Informationen stets mit einer gehörigen Portion Skepsis zu genießen sind. Zudem wäre es ratsam, wenn die am häufigsten genutzten Gesundheitsseiten im Internet von Spezialisten geprüft und für medizinische Laien mit einem Qualitätssiegel versehen würden. Der beste Weg jedoch, um einen schlimmen Krankheitsverdacht auszuräumen, ist immer noch der, den viele Hypochonder scheuen: Man geht zum Arzt.

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