Im Blumenviertel blüht das Vorurteil

Nach Brandanschlägen Studie zu Rechtsextremismus in Rudow vorgestellt

  • Katharina Zeiher
  • Lesedauer: 3 Min.

»Lieber drei Tage Regen als eine Stunde Besuch«, steht an einer Gartentür im Rudower Blumenviertel. Davon haben sich Nicole Jäckle und Ulrich Bahr nicht abschrecken lassen, als sie in dem Quartier zwischen Teltowkanal und Neuköllner Straße eine Anwohnerbefragung durchführten, deren Ergebnisse jetzt vorgestellt wurden. Sehen die Bewohner Rechtsextremismus als Problem? Wie leben Menschen mit und ohne Migrationshintergrund im Blumenviertel zusammen? Das wollten Bahr und Jäckle im Auftrag des Interkulturellen Beratungs- und Begegnungs-Centrums bei Recherchen im Areal um Minze- und Orchideenweg herausfinden.

In dem Viertel mit dem idyllischen Namen waren im März und April 2008 zwei Brandanschläge auf Häuser migrantischer Familien verübt worden. Die zwei jugendlichen Täter aus dem rechtsextremen Spektrum, die auch selbst im Blumenviertel wohnten, waren im Januar 2009 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

82 Interviews haben Jäckle und Bahr mit Bewohnern des Blumenviertels geführt. In den Gesprächen wurde deutlich, dass nicht allein der organisierte Rechtsextremismus ein Problem ist. Zwar hat es in der Vergangenheit rechte Strukturen auch im Blumenviertel gegeben, davon zeugen nicht nur die Brandanschläge, sondern auch zahlreiche rechtsextreme Schmierereien und Aufkleber im Quartier. Gravierender erscheinen jedoch die rassistischen Einstellungen vieler Bewohner, die bei der Befragung offen zutage treten.

Zwar haben nur 15 Prozent eine eindeutig negative Einstellung gegenüber Ausländern. Ressentiments sind jedoch verbreitet. »Woher haben die ihr Geld?«, fragen sich deutsche Blumenviertelbewohner angesichts der Häuser migrantischer Familien, nur um zu vermuten: »Diese Familien, die Zigeunersippen, die sind alle kriminell.«

Die Mehrheit der befragten Migrantinnen und Migranten spricht von negativen Erfahrungen mit Nachbarn. Fünf der zwölf Befragten haben im Viertel rassistische Bedrohung oder Beleidigung erlebt. Aber die Ablehnung äußert sich auch subtiler: »Oft werde ich angeguckt, als käme ich vom Mars. Es ist bisher nichts passiert, aber Blicke können oft mehr sagen als Worte«, so die Erfahrung eines migrantischen Anwohners. »Erschreckend« findet Jäckle, dass die Anschläge »kaum Thema in der Nachbarschaft« gewesen seien. »Uns ist ja noch nichts passiert, toi, toi, toi«, so äußerten sich mehrere deutsche Interviewpartner. Ganz anders die Situation der Migranten: Sie berichten von Depressionen und Schlafstörungen seit den Brandanschlägen.

Endlich angstfrei in ihrem Viertel leben zu können und als normale Bewohner anerkannt zu werden, fordern denn auch viele der Befragten mit Migrationshintergrund. Doch noch etwas hat die Studie gezeigt, so Frauke Büttner von der Mobilen Beratung gegen Rechts, die das Projekt betreut hat: Für ein besseres Zusammenleben seien Orte des Miteinanders von Migranten und Deutschen und präventive Arbeit gegen Rechtsextremismus notwendig.

»Im Alltag ist es wichtig, Respekt und Toleranz zu fördern«, sagt Büttner. Gut findet sie die Aktivitäten der Nachbarschaftsinitiative »Blütenvielfalt«, die sich in Reaktion auf die Anschläge im Blumenviertel gebildet hat. Wenn die Initiative Erfolg hat, dann freuen sich im Blumenviertel vielleicht bald mehr Menschen über Besuch.

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