Bezirksämter Schulter an Schulter

Rat der Bürgermeister wehrt sich gegen Sparauflagen und fordert Nachzahlungen vom Senat

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Maß ist voll. Die Bezirke wollen die neuerlichen Sparauflagen des Senats in Höhe von insgesamt 142 Millionen Euro nicht umsetzen. Das beschloss kürzlich der Rat der Bürgermeister einstimmig. Und das können sie wahrscheinlich auch gar nicht. Denn die jetzt wieder fehlenden Millionen betreffen Pflichtausgaben und Personalkosten.

»Ich wüsste nicht, wo ich die geforderten neun Millionen Euro einsparen soll«, sagt Lichtenbergs Bürgermeisterin Christina Emmrich (LINKE). »Dann müssten wir über Schließungen nachdenken.« Denn ohne Bibliothekarin brauche man auch keine Bibliothek zu unterhalten. An Vorschlägen zu Schließungen werde sie sich nicht beteiligen, so Emmrich. »Wenn die Abgeordneten der gleichen Meinung sind wie der Finanzsenator, dann sollen die doch in ihrer unendlichen Weisheit entscheiden, was in den Bezirken nicht benötigt wird.« Die Stimmung ist gereizt.

Clemens Teschendorf, Sprecher von Finanzsenator Nußbaum (parteilos), sagte, sein Chef sei bereit, in einzelnen Punkten auf die Bezirke zuzugehen. Beispielsweise bei den Hilfen zur Erziehung, die seit Jahren ein Streitpunkt sind, würde er noch etwas springen lassen. Aber: »Wir gehen davon aus, dass die Bezirke ausreichend finanziert sind.« Bis auf »notwendige Änderungen«, die sich auf insgesamt rund 60 Millionen mehr belaufen, werde der Finanzsenat die gesamte Nachforderung der Bezirke nicht erfüllen.

Auch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg teilte gestern mit, den Kürzungsvorgaben des Senats von 10 Millionen Euro nicht nachzukommen. Stattdessen werde man die Fehlsumme als pauschale Mehreinnahme (PME) im Haushaltsplan verbuchen, erklärt Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne). Wenn die Summe nicht ausgeglichen werde, bleibe halt ein Defizit. Und davon ist wohl in allen Fällen auszugehen. Auf das konkrete Vorgehen haben sich inzwischen zehn oder elf der zwölf Bezirke geeinigt.

In Lichtenberg beriet die BVV gestern Abend, ob sie überhaupt einen Haushalt aufstellt. In anderen BVV sei es ebenso, sagt Emmrich. Sie sei dafür, eher einen nicht verfassungskonformen Haushalt aufzustellen als gar keinen – und im Entwurf in einer Spalte »Sonstiges« zu vermerken: »Weitere Zuweisungen vom Senat erwartet«, wie es fast alle Bezirke tun. Dann könnten die Abgeordneten, die für die lokalen Finanzen verantwortlich sind, sehen wo es hapert.

Nicht nur nach Schulz' Ansicht beruhen die jüngsten Kürzungsvorgaben von 142 Millionen Euro auf einem »Rechenfehler« des Senats. Dort orientierte man sich bei der Höhe der Zuweisung an den Zahlen von 2008. »In dem Jahr hatten wir viele unbesetzte Stellen, weil die Besetzung über den Stellenpool sehr lange dauert«, so Schulz. Diese Stellen tauchen dann im Etat nicht auf, und »die Personalmittel sind dann für 2010 mit einem Federstrich weg«. Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg geht es um 100 Stellen.

Dass der Rat der Bürgermeister (RdB) sich derartig einig präsentiert, ist ein Novum. Den Beschluss, die Auflagen nicht zu erfüllen, habe man einstimmig und sehr schnell gefällt, so Schulz. Zudem habe ein Paradigmenwechsel in der Art der Politik stattgefunden. Im Gegensatz zu früher wird mit den Abgeordneten konkret diskutiert. »Damit die nicht sagen können, sie hätten nichts gewusst«, sagt Schulz. In den letzten Jahren sei der RdB enger zusammengerückt, nachdem ein Bezirk nach dem anderen in finanzielle Schieflage geraten sei.

Am 2. Juni tagt der Unterausschuss Bezirke des Abgeordnetenhauses, kurz darauf gehen die Verhandlungen mit Nußbaum weiter. »Wir werden für unsere Forderungen streiten«, so Schulz, »und zwar die Bezirksämter Schulter an Schulter«.

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