Hut, Haar und offene Fragen

Botschaftsbesuche zum Thema »Kopfbedeckungen«, wo Menschenrechte verletzt werden

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

»Mit Hut und Haar« ist das Motto des diesjährigen All Nations Festivals in Berlin, auch »Tag der offenen Botschaften« genannt. Die Berliner Gesellschaft für internationale Begegnung lädt mit Unterstützung der Berlin Tourismus Marketing GmbH und mehrerer privater Firmen am 4. Juli zu einer Botschaftsweltreise durch die Stadt ein.

Die Berliner und ihre Gäste sollen hinter die Türen der Diplomaten schauen können und entsprechend dem diesjährigen Motto Kopfbedeckungen in verschiedenen Ländern kennenlernen. »Kopfbedeckungen haben in vielen Ländern dieser Erde eine Bedeutung: Modisches Statement, politischer Protest, Herrschersymbol, Sonnenschutz, Glaubensfrage«, heißt es auf der Webseite des Veranstalters. Den Botschaften wird an diesem Tag die Möglichkeit gegeben, für den Tourismus in ihren Ländern zu werben, ihre Kultur und ihre Sicht auf das Land zu präsentieren. Mit dem Verkauf von landestypischen Gerichten und Souvenirs können sie zudem Gewinne erlösen.

Unter den bisher gemeldeten 25 Teilnehmern sind allerdings sieben Staaten, in denen die Menschenrechte massiv verletzt werden. Vier EU-Staaten haben in diesem Jahr ihre Teilnahme zugesagt: Luxemburg, Malta, Slowenien und die Slowakei.

Zu den offenen Botschaften mit allzu vielen offenen Fragen zählt Myanmar (Burma). Das Land wird seit 1962 von einer der blutigsten aktuellen Militärdiktaturen beherrscht, und dort steht die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi seit fast zwei Jahrzehnten unter Hausarrest. Die Reise geht weiter durch Irak, aus dem Deutschland wegen der schwierigen Menschenrechtssituation sogar Kontingentflüchtlinge aufnimmt.

Offene Türen bietet auch die Vertretung Simbabwes, ein Land, das unter dem selbstgefälligen Diktator Robert Mugabe im Chaos versinkt und dessen Menschenrechtssituation von Angela Merkel auf dem EU-Afrika-Gipfel 2007 mit deutlichen Worten kritisiert wurde. Auch Äthiopien ist mit von der Partie, ein von Grenzkriegen stark zerrüttetes Land, in dem nicht nur die Opposition, sondern auch die Zivilgesellschaft mit einem neuen Gesetz drangsaliert werden soll.

Die Weltreise führt durch Länder, in denen die Rechte von Frauen und nationalen Minderheiten mit Füßen getreten werden, und durch Sri Lanka, wo die tamilische Minderheit brutal unterdrückt wird. Malaysia, eine weitere Station, geht laut Amnesty International gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vor. Myanmar, Bangladesh und Sri Lanka haben sich bei zurückliegenden Festivals schon öfter präsentieren können.

Carsten Diercks vom Veranstalter, der Berliner Gesellschaft für internationale Begegnung, vertraut nach eigenen Angaben bei der Botschaftsreise auf die Mündigkeit der Berliner. Das Thema Kopfbedeckung biete eine Bandbreite politischer Diskurse bis hin zur Kopftuchdiskussion. »Darin liegt der Reiz und die Chance des Festivals: nicht nur aus erster Hand Informationen zu erhalten, sondern auch diese Informationen zu hinterfragen. Die Gelegenheit besteht, in den Botschaften selbst nachzufragen und in den – auch kritischen – Dialog zu treten.« Sein Verein hätte alle Botschaften in Berlin zur Teilnahme am Festival angefragt.

Der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux gibt den Festivalveranstaltern zu denken, neben den schönen Seiten der Botschaftsweltreise auch massive Menschenrechtsverletzungen in einigen Teilnehmerstaaten nicht zu verschleiern. Das könne natürlich nicht durch die Botschaften selbst geschehen. Ähnlich sieht es Jens-Uwe Thomas vom Flüchtlingsrat. »In einem Teil dieser Staaten werden Menschen zur Flucht außer Landes gezwungen. Das sollte bei so einem interkulturellen Ereignis thematisiert werden.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal