Flyer verteilen unerwünscht

Betriebsrätin wurde dreimal abgemahnt

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.

Gleich drei Abmahnungen und die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung kassierte eine Betriebsrätin des Zahntechnischen Unternehmens DeguDent in Hanau von der Geschäftsleitung. Die erste Abmahnung bekam sie, weil sie einer Mitarbeiterin einen Flyer der Industriegewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie (IG BCE) zum Thema Kurzarbeit auf den Schreibtisch legte. Weil sie kurz darauf einer anderen Kollegin einen solchen Flyer in die Hand drückte, folgte die zweite. Wegen der Verteilung der Infomaterialien soll die Betriebsrätin einige Minuten verspätet ihren Dienst angetreten haben – die dritte Abmahnung.

Die Geschäftsleitung sieht die Verteilaktion auf dem Firmengelände als Störung des Betriebsablaufs und des Betriebsfriedens. Die Gewerkschafterin habe sich »in unzulänglicher Weise gegen die Interessen des Arbeitgebers gestellt«. Schließlich sei Kurzarbeit in der Firma kein Thema.

Betriebsrat und Gewerkschaft reagierten empört auf die Sanktionen. »Wie sollen wir die Belegschaft mit unseren Informationen erreichen, wenn nicht am Arbeitsplatz«, meint der Betriebsratsvorsitzende Karlheinz Hofmann. »Wir betrachten die Vorgehensweise der Personalabteilung von DeguDent als eine instinktlose Frechheit«, schimpft der Bezirksleiter der IG BCE Mittelhessen, Wolfgang Werner, »dass engagierte Betriebsräte, die gleichzeitig Gewerkschaftsfunktionäre sind und den Menschen in den Betrieben Orientierung und Hilfe in diesen unsichern und schwierigen Zeiten geben, so behandelt werden.«

Seine Gewerkschaft habe keineswegs vor, Klassenkampf und soziale Unruhen in die Betriebe zu tragen, betont Werner. Schließlich stelle der Flyer der IG BCE die Kurzarbeit als wichtiges Mittel zur Arbeitsplatzsicherung vor. Dieses Infoblatt sei von Betriebsräten, Vertrauensleuten und vor allem von den Beschäftigten vieler Betriebe des Bezirks Mittelhessen mit großem Interesse aufgenommen worden.

Werner erinnert daran, dass derzeit in vielen Firmen Betriebsräte und Vertrauensleute in Zusammenarbeit mit der IG BCE Krisenmanagement mit den Unternehmensleitungen betreiben. An einem solchen gewerkschaftlichen Co-Management hat die Geschäftsleitung von DeguDent offensichtlich jedoch kein Interesse. Die Gewerkschaft fordert die Rücknahme der Abmahnungen und droht mit juristischen Schritten. Dann werde man die zuständigen Gerichte bemühen müssen, um im Jahre des 60-jährigen Bestehens der Bundesrepublik nochmals klären zu lassen, welchen Stellenwert eine Gewerkschaft und ihre Funktionäre in dieser Gesellschaft haben.

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