Rüstig, interessiert – und alt

16. Brandenburger Seniorenwoche wurde gestern in Potsdam eröffnet

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Zum 16. Mal wurde gestern in Brandenburg eine Seniorenwoche eröffnet. Familienministerin Dagmar Ziegler (SPD) sprach von einer »tollen Gelegenheit«. Die Linkspartei mahnte die Anerkennung und Bewältigung von Defiziten an.

»Die Senioren bei uns sind keine einheitliche Gruppe«, sagte die Ministerin bei der Eröffnung im Potsdamer Stern-Center. Wer heute 50 sei, der zähle sich in der Regel nicht zu den Senioren. Doch auch für die wirklich alten Menschen müsse die Gesellschaft da sein. Daher sei es notwendig, die Angebote für Rentner entsprechend ihrer unterschiedlichen Bedürfnisse auszurichten.

Viele Einrichtungen und Vereinigungen haben ihre Angebote für ältere Menschen an Ständen ausgebreitet – Volkssolidarität, Seniorenverband, Pflegedienste, Tanz- und Selbsthilfegruppen. Zum Programm der Eröffnungsveranstaltung gehörte die Modenschau der Rentnerorganisation »Herbstzeitlose«. Der Bundeswehrverband forderte auf einem Plakat, dass die NVA-Angehörige endlich als »deutsche Soldaten«anzuerkennen seien. Auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) betonte, dass die älteren Menschen angesichts der demografischen Entwicklung eine immer wichtigere Rolle in der Gesellschaft spielen werden. LINKE-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg bestätigte, dass es heute viele und auch vielfältige Ansätze zugunsten von Rentnern gebe, doch könne er noch nicht erkennen, dass das Älterwerden der Gesellschaft tatsächlich im Blick der Politik ist. Es käme darauf an, diese Menschen tatsächlich ins gesellschaftliche Leben einzubeziehen. Seine Kollegin Anita Tack forderte ebenfalls, den demografischen Wandel »in Politik umzusetzen«. Auf viele Probleme sei keine Antwort gefunden – zum Beispiel, dass ältere Menschen in den sich leerenden Regionen des Landes oft abgeschnitten von wichtigen Angeboten leben müssen.

Weit über ein Viertel der brandenburgischen Senioren bekleidet ein Ehrenamt. Aktiv sind Senioren zunehmend nicht nur in der Freizeit, sondern auch im Arbeitsleben. Vor zwei Jahren führte die Statistik 1901 Rentner als »sozialversicherungspflichtig beschäftigt«. Ein Jahr zuvor waren es 1635, im Jahr 2005 1574 Rentner. Laut Sozialministerium sind Selbstständige in dieser Statistik noch gar nicht erfasst. Weil gerade sie oft nur einen geringen Versicherungsschutz im Alter genießen, arbeiten viele noch weit über das 65. Lebensjahr hinaus.

Große Sprünge können die märkischen Rentner mit ihrer Altersrente nicht machen. Die ausgezahlte Durchschnittsrente in Brandenburg sank in den vergangenen fünf Jahren von 800 Euro auf 750 Euro. Hinzu kamen Geldentwertung und Preiserhöhung, so dass der finanzielle Spielraum der Alten immer enger wird. Derzeit gelten nur etwa ein bis zwei Prozent der Rentner als arm. Erheblich unter Druck geraten werden die Altersbezüge des Normalsterblichen durch die mit dem Jahr 2012 einsetzende Verlegung des Renteneinstiegsalters von 65 auf 67 Jahre. Frauen müssen dann sieben Jahre länger arbeiten als zu DDR-Zeiten. Die Pointe: Kaum einer der Abgeordneten, die im Bundestag diese Verlängerung beschlossen haben, ist persönlich von ihr betroffen. Das baden die Jüngeren aus. Die seniorenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Irene Wolff-Molorcius, beklagte in diesem Zusammenhang, dass die Angleichung der Ostrente noch immer nicht verwirklicht ist und forderte eine entsprechende Initiative der Landesregierung im Bundesrat.

Ein weiteres dunkles Kapitel: Mit der Zahl älterer Menschen hat auch die Gewalt gegen sie zugenommen. Wie Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) kürzlich mitteilte, geht sie in höherem Maße von Verwandten aus. So gab es im Jahr 2007 bei Gewaltdelikten gegen Senioren in 13,1 Prozent der Fälle verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Opfern und Tätern, im Jahr 1998 nur in fünf Prozent.

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