Verbindendes

Claudio Magris / Der italienische Autor erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 2 Min.

Zur traditionellen Pressekonferenz vor der Preisverleihung wird kein Dolmetscher nötig sein. Der italienische Schriftsteller Claudio Magris ist Germanist, studierte unter anderem in Freiburg, seit 1978 ist er Professor für moderne deutschsprachige Literatur an der Universität Triest. Seine 1966 auf Deutsch erschienene Dissertation handelte vom habsburgischen Mythos in der modernen österreichischen Literatur. Für die Fachwelt ein Geniestreich: Der junge Wissenschaftler hatte sich einem versunkenen intellektuellen und literarischen Kontinent zugewandt – Mitteleuropa, das damals von den Fronten des Kalten Krieges durchzogen war. In einer zweiten Auflage des Buches 1988 würde er vor fatalen Folgen einer außerliterarischen Wiederbelebung dieses Mythos warnen. Als Kenner der Szenerie wurde er vom Jugoslawienkrieg wahrscheinlich weniger überrascht als unsereins.

Als Claudio Magris 2001 in Leipzig den Buchpreis zur Europäischen Verständigung bekam, übte er deutliche Kritik an der westlichen Welt, »wo die Feier des Endes aller moralischen Werte, die Relativierung des Unterschieds zwischen Lüge und Wahrheit, zwischen Leben und Spielen, zwischen Sein und rollenhaftem Schein« gang und gäbe ist, und hob die Traditionen Osteuropas hervor. Aber nicht um Entgegensetzungen geht es ihm, sondern ums Verbinden. Er hebe hervor, wie kreativ die Verschiedenheit sein könne, wenn sie denn in ihrer Eigenart geachtet und beachtet werde, heißt es in der Begründung des Stiftungsrates für den Preis. Betont wird auch die literarische Qualität seiner Werke – die meisten davon erschienen im Carl Hanser Verlag –, in denen sich Erzählendes und Reflektierendes, Faktisches und Fiktionales verbinden.

Einige Bücher von vielen: »Donau. Biographie eines Flusses«, »Ein Nilpferd im Lund. Reisebilder«, »Triest. Eine literarische Hauptstadt«, der Roman »Blindlings«. Magris' Idealorte: das Kaffeehaus und das Meer. Die Nachricht vom Friedenspreis erreichte ihn während des Urlaubs auf einer Insel. Dort will er sich nun hinsetzen und die Rede schreiben, die er am 18. Oktober in der Frankfurter Paulskirche halten wird. Ein brillanter Text ist zu erwarten, der mehr Nachdenken als Streit provoziert.

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